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Enwor 2 - Die brennende Stadt

Enwor 2 - Die brennende Stadt

Titel: Enwor 2 - Die brennende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zerfurcht, zerfressen, als wäre es mit Säure übergössen worden. Es war eine Wunde, die nie wieder heilen würde. Vielleicht würde sie es überleben, aber sie würde vom heutigen Tage an wirklich eine Maske tragen, Engel und Teufel zugleich, eine grausige Verschmelzung von Leben und Tod, strahlender, unversehrter Schönheit auf der einen und schwärender Fäulnis auf der anderen Seite. Das linke Auge war blind.
    »Wie lange wußtest du es schon?« fragte Skar.
    Gowenna atmete mühsam ein. Ihr Körper bebte unter einem Krampt. »Seit... ich die Drachenspuren… sah«, antwortete sie.
    Ihre Stimme klang brüchig vor Schmerz. »Nicht eher. Aber ich ... ich wollte es nicht glauben. Ist das nicht komisch, Skar? Ausgerechnet ich habe mich gegen das Offensichtliche gewehrt.« Eine einzelne, schimmernde Träne quoll aus ihrem Augenwinkel und hinterließ eine feuchtschimmernde Spur auf der Wange. »Ich habe sie geliebt, Skar«, fuhr sie fort. »Ich hätte mein Leben für sie gegeben, ein dutzendmal und mit Freuden. Aber sie hat mich betrogen.«
    »Sie hat uns alle betrogen, Gowenna«, antwortete Skar sanft.
    Doch er spürte bereits in dem Moment, in dem er die Worte aussprach, wie hohl und leer sie klingen mußten, fast wie grausamer Spott.
    Er setzte sich vollends, zog die Knie an den Körper und sah nach Osten. Combats Feuer loderte am Horizont und tauchte die Wolken in flackerndes blutiges Rot, und für einen winzigen Moment erschien es Skar, als bewege sich vor der brennenden Stadt ein noch



winzigerer, noch grellerer Lichtpunkt, und in das Brüllen der Flammen schien sich ein neuer Ton zu mischen, ein helles, unendlich klagendes Geräusch, fast wie das Heulen eines Wolfes.
    »Sie hat mich benutzt«, murmelte Gowenna. »Sie hat mich benutzt und weggeworfen, als ich meinen Dienst getan hatte.« Wieder brach sie ab, als koste es sie ihre ganze Kraft weiterzusprechen. »Wohin… gehst du von hier aus, Satai?« fragte sie endlich.
    Skars Hand berührte die Stelle an seiner Brust, wo der Beutel gehangen hatte. »Nicht mehr sehr weit, Gowenna«, sagte er.
    »Vergiß . .. das Gift.«
    Skar lächelte dünn. »Auch das werde ich tun, Gowenna. In ein paar Stunden.«
    »Du wirst nicht sterben«, sagte sie leise. »Es war… kein Gift.
    Nur… der Extrakt einer seltenen Pflanze, der süchtig macht. Du wirst. . . Schmerzen haben und Fieber, aber du wirst. . . weiterleben.«
    Skar nahm die Worte so ruhig hin, als gingen sie ihn nichts an. Er war leer, endgültig jetzt, ausgebrannt. Er hatte nicht mehr die Kraft, irgend etwas zu empfinden.
    »Vielleicht«, murmelte er nach einer Weile, »nach Ikne. Ich muß Del suchen.«
    »Dann reisen wir zusammen«, sagte Gowenna. Sie stockte, rang mühsam nach Atem und versuchte sich hochzustemmen, aber ihre Arme knickten unter dem Gewicht ihres Oberkörpers weg. Sie fiel, nicht zurück in den Schoß des Sumpfmannes, sondern nach vorne, so daß Skar sie auffangen mußte. Ihr Körper erschien ihm seltsam leicht, als hätte nicht nur ihre Kraft sie verlassen.
    »Danke«, murmelte sie.
    Skar lehnte sie behutsam gegen seine Schulter. Ihre Haut fühlte sich trocken und heiß an, fiebrig, und ein seltsames, neues und fast erschreckendes Gefühl durchströmte ihn für einen winzigen Moment, als er sie berührte. »Nicht reden«, flüsterte er. »Sei ganz ruhig jetzt.« Seine Hand glitt an ihrer Schulter empor, strich behutsam über ihre Wange und ihr Haar, und für endlose, lange Sekunden hielt er sie einfach schweigend in den Armen, drückte sie sanft wie ein Kind, dem er Trost spenden wollte, an sich. »Nicht reden«, sagte er noch einmal.
    Aber Gowenna schien seine Worte gar nicht zu hören. »Bist du bereit, einen… neuen Dienstherren anzunehmen?« fragte sie. Ihre Stimme war so leise, daß er sich herabbeugen mußte, um die Worte überhaupt zu verstehen.
    »Dich?«
    »Mich«, bestätigte sie. Ihr Atem ging schneller, unregelmäßiger, und für einen Moment durchfuhr Skar ein heißer, ungläubiger Schrecken, als er daran dachte, daß sie hier und jetzt in seinen Armen sterben könnte. Aber sie starb nicht, sondern redete leise und stockend und doch fest weiter: »Ich habe Geld, Skar. Es wird nicht reichen, den Preis eines Satai zu zahlen, aber es wird reichen, das Schiff des Freiseglers zu chartern. Er ist... der einzige, der uns zu ihr führen kann. Und ich kann dir etwas bieten, das mehr wiegt als Geld: Rache. Ich werde Vela suchen. Ich werde weiterleben, und ich werde sie finden, ganz egal, wo

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