Erknntnisse eines etablierten Herrn
daß Sie sich mal wieder sehen lassen. Skol!«
Alfredo ist in dem Alter, in dem der Mann fünf Jahre jünger aussieht, als er ist, und fünf Jahre alter. Er wirkt schlanker, straffer, als Lukas ihn in Erinnerung hatte. Die große Hand stellt den Schwenker auf den Louis-seize-Schreibtisch.
»Und jetzt erzahlen Sie mir bitte die Geschichte dazu. Was ist geschehen? Warum hat Andrea durchgedreht, und was haben Sie damit zu tun?«
Hier kann er’s nicht kurz machen. Hatte er eine Tochter, würde er nicht ebenso Bescheid wissen wollen? Die Augen hat Andrea von ihrer Mutter, aber den Ausdruck hat sie von ihm. Das Verständnis des Väterlichen für den Vater schafft Solidarität, um so mehr, als Lukas seine Rolle in dem Stück, das Andrea heißt, ohnehin nicht für gelungen halt. Ist nicht, wie die Dinge liegen, der Vater genau der richtige, um sie morgen in Empfang zu nehmen, ihr den älteren Mann auszureden, falls sie sich nicht selbst schon eines Besseren besonnen hat? Dazu muß der Vater allerdings Bescheid wissen. Lukas sagt ihm die Wahrheit. Die volle Wahrheit.
Ruhig hört Alfredo zu, nickt gelegentlich, unterbricht aber nicht, geht auf und ab und sagt schließlich:
»Gut, daß Sie gekommen sind. Wir haben uns immer damit getröstet, daß andere Eltern ihre Kinder auch nicht verstehen.«
Die Tür geht auf, Lilly kommt herein.
»Ach da bist du!« Erst dann entdeckt sie Lukas. Ihre Überraschung fällt, wie nicht anders zu erwarten, perfekt aus.
»Ja, Herr Dornberg! Nett, daß Sie noch gekommen sind. Lassen Sie sich anschauen! Es scheint Ihnen gutzugehen.«
Lukas ist neben sich getreten, sieht sie dastehen, zu dritt, wie vor zehn Jahren, als Lilly auch Theater spielte hier in diesem Zimmer. Er wird mitspielen. Besser als vor zehn Jahren.
»Darling«, so nennt Alfredo sie, »du hast einen Anruf bekommen wegen Andrea.«
Lilly bedient sich des Repertoires der Dame. Sie vollführt eine Geste, die besagen will, daß ihr infolge von Wichtigerem etwas nicht so Wichtiges rücksichtsvollerweise entfallen sei.
» O ja, richtig! Sie hat wieder mal durchgedreht. Ich wollte nicht, daß du dich sorgst. Herr Dornberg war ja bei ihr. Aber kommt jetzt bitte rüber.«
Auf dem Weg zur Tür erreicht sie Alfredos Wunsch:
»Einen Augenblick, Darling.«
Sie bleibt stehen, drehte sich um, prüft die vier Augen, die sie ansehen, als mißtraue sie dem lieben Ton Alfredos, der sich Zeit läßt mit dem, was er sagen will.
»Ich wollte dir sagen, daß wir Andrea jetzt helfen müssen. Herr Dornberg war sehr offen und aufsschlußreich.«
»Ja und?«
Lillys Stimme klang nach Sorge. doch Alfredo lächelte:
»Diesmal hat sie nicht durchgedreht, diesmal hat sie sich in Herrn Dornberg verliebt,«
»Ist das nicht dasselbe?«
Dekorativ lehnte sie am Schreibtisch, sah Lukas an, als wolle sie ihm sagen: ich weiß, daß du mich bloßstellen kannst, mit einem Satz. Aber wir wollten es ja vergessen! Ihm stand eine reizvolle Aufgabe bevor: Unter ihrem Blick das Mutter-Tochter-Verhältnis zu beleuchten. Denn darauf lief das Gespräch hinaus. Alfredo redete von Psychologie, für die er schon immer eine Vorliebe gehabt habe. Was nun Andreas Vorliebe für reife Männer angehe, so sei es doch verwunderlich, daß sie diese erst bei Herrn Dornberg entdeckt habe. Irgendwie müsse das mit der Mutter zusammenhangen.
Lange sah Lukas ihn an: Darauf fall’ ich dir nicht herein — besagte sein Blick, bis er schließlich sagte:
»Andrea kennt mich von früher. Ich bin wohl so eine Art Vertrauensonkel für sie.«
»Ausgezeichnet!« befand Lilly dankbar. »Das leuchtet sogar mir ein.«
Alfredo ging wieder auf und ab.
»Einen Vertrauensonkel mag man, aber man liebt ihn nicht.«
»Warum nicht?« Lilly sah ihn arglos an, doch Alfredo wandte sich an Lukas. ‘
»Was sagen Sie? Halten Sie es für möglich, daß Andrea ihrer Mutter gewissermaßen als Geliebte Konkurrenz machen möchte? Vielleicht sogar bewußt!«
»Ich halte alles für möglich. Andrea ist äußerst sensibel.«
»Sehr aufschlußreich!« unterbrach Alfredo. »Findest du nicht auch, Darling? Andrea liebt Herrn Dornberg nicht, aber er mußte es sein, weil er dich am besten kennt. Er hat ja lange genug bei uns gewohnt.«
»So banal siehst du das?«
Lilly gab sich beleidigt; Lukas konnte nicht widerstehen, ihr zu antworten.
»Die jungen Leute sind viel ehrlicher und gradliniger als ihr Ruf. Die Schlawinergeneration sind wir!«
Alfredo lachte laut und trank ihm zu.
»Und wie geht es nun
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