Erknntnisse eines etablierten Herrn
Bart kam herein und wurde von dem verbliebenen Sanitäter unterrichtet: Das Fräulein sei wieder auf der Station und bei Schwester Notburga; der Herr — er deutete auf Lukas — habe sie zurückgebracht. Huldreich nickte der Jungmediziner; den Herrn übersah er jedoch geflissentlich. Die Medizin gibt Macht über die Menschen, und das bedeutet nicht, daß Mediziner zwangsläufig besonders menschenfreundlich sein müssen. »Hätte ich meine Nichte wieder mitnehmen können?« fragte Lukas den Sanitäter, nachdem der Bärtige grußlos gegangen war. Kaum ausgesprochen, fand er die Schwindelei schäbig von sich. Aber sie half. Der Sanitäter wurde gesprächiger, wie ihm vorkam. Umständlich und weitschweifig wog er das Für und Wider gegeneinander ab und beruhigte den besorgten Onkel mit dem Hinweis, daß die Nichte nach der zweiten Spritze zuverlässiger schlafen werde.
Vorne beim Empfang gab es bestimmt Briefpapier und Kuvert. Lukas konnte ihr eine Nachricht hinterlassen — unbedingt! — einen Gruß, eine Entschuldigung, ein Bedauern. Er wollte gerade den Sanitäter unterbrechen, dessen Schilderung sich zum Anschauungsunterricht auszuweiten drohte, da standen plötzlich zwei Beamte einer Funkstreife in der kahlen Ambulanz. Ihre Mienen besagten, daß sie sich sowohl muskulärem als auch bewaffnetem Widerstand gewachsen fühlten.
»Guten Abend allerseits.«
Der Sanitäter meldete, alles sei wieder in Ordnung; der Herr da habe sie zurückgebracht. Darauf begab sich der eine Beamte auf die Station zu Schwester Notburga, um zu prüfen, ob dem so sei; der andere ließ sich von dem Herrn da Einzelheiten über Andreas Ergreifung und Rückführung berichten, was nicht ohne Personalien und amtliche Indiskretionen abging.
»Soso, Sie haben sie gleich wieder ins Taxi gepackt. Im Hotel ist davon aber nichts bekannt. Wir kommen grad von dort. Wie erklären Sie sich das?«
»Es war sehr voll in der Halle; der Bus vom Flughafen war gekommen; ich habe sie gleich kommen sehen, ich saß in der Bar.«
»Soso, in der Bar.«
»Die schlaft.« Der andere Beamte war zurückgekommen. »Ein hübsches Mädchen.«
Und weil zwei Beamte umständlicher sind als einer, mußte der Herr da die Geschichte noch einmal erzahlen.
»Soso, Sie sind das.«
Der Blick, den der Beamte dieser außerdienstlichen Bemerkung folgen ließ, stellte den geplanten Abflug in Frage. Aus dem Bericht wurde eine Vernehmung; auswendig nannte Lukas Adresse und Telefonnummer der Eltern, was einen guten Eindruck gemacht hatte, wäre nicht der Sanitäter wohlmeinend dazwischengekommen.
»Der Herr ist der Onkel von dem Mädchen.«
Lukas mußte sich auf die Position eines »Nennonkels« zurückziehen, er sei ein alter Freund des Hauses und habe die Tochter schon als kleines Mädchen gekannt. Schließlich stand er auf.
»Kann ich jetzt gehen?«
»Sie können gleich mitkommen.«
Stumm nickte der Sanitäter, als sie gingen, geräuschlos über den langen Korridor, vorbei an den Zimmerpflanzen, die im Neonlicht noch blasser aussahen als bei Tag. Am Empfang saß statt der Mädchen jetzt eine Schwester und ordnete Papiere.
»Gute Nacht, Schwester.«
»Gute Nacht.«
Den Brief an Andrea würde er im Hotel schreiben und morgen früh mit einem Blumenstrauß herüberschicken lassen. Oder wären Blumen für ein so junges Mädchen verkehrt? Besser Pralinen. Vor der Tür atmete er auf, obwohl die Nachtluft dazu nicht einlud. Nebelnasse drückte auf die Schornsteine; es roch wie in einem Öllager.
»Steigen Sie ein!«
Es klang streng und sachlich, fast nach Verhaftung. Aber das lag wohl an dem Polizeiwagen. Hinter dem Lenkrad saß ein dritter Beamter, der Lukas’ Gruß nicht erwiderte. Wahrscheinlich hatte er ihn im laufenden Sprechfunkverkehr überhort. Der Motor heulte auf, und mit quietschenden Reifen fuhr der Streifenwagen los, traumwandlerisch sicher gelenkt bei ausgeprägtem Sinn für überhöhte Geschwindigkeit, so, wie es die Polizei nur sich selbst erlauben kann. Doch die Straßen, die sie durchrasten, führten nicht zum erhofften Ziel.
»Ich dachte, Sie bringen mich ins Hotel?«
Der Beamte auf dem rechten Vordersitz nahm Sprechverbindung mit der Zentrale auf; sein Kollege hinten neben Lukas antwortete:
»Wir fahren rasch bei den Eltern vorbei, wenn’s Ihnen nichts ausmacht.«
»Rrrrichtig!« schnurrte der Beamte, der mit der Zentrale sprach.
Dann drehte er sich um: »Die haben Bericht angefordert, und den geben am besten Sie!«
Dann hatte das Krankenhaus bei
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