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Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft

Titel: Es geschah im Nachbarhaus - die Geschichte eines gefährlichen Verdachts und einer Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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verwenden. So sagen es unsere Gesetze. Keinen Tropfen Blut, verstehst du! Deshalb haben wir unsere eigene Art, Tiere zu schlachten. Und das nennt man schächten.«
    »Metzger, das ist ein scheußlicher Beruf. Das wäre nichts für mich. Polizist ist gut, Sigi, was meinst du? Polizist möchte ich schon werden.«
    »Ich nicht. Ich werde Steinmetz.«
    »Auch gut. Vater will, dass ich irgendetwas studiere. Aber ich habe keine Lust, dauernd zu büffeln. Polizist, das ist schon besser. Mutter sagt auch, Beamter ist Beamter.« Sie pflückten und aßen.
    »Hörst du nichts, Karl?«
    »Was soll ich hören?«
    »Ich glaube, es gibt ein Gewitter. Es brummelt schon in der Luft.«
    »Das wird ein Wagen gewesen sein.«
    »Nein, hör nur, da donnert es wieder.«
    Karl kletterte ein wenig höher in die Baumkrone. Von dort oben aus konnte er weit in die Ebene sehen. Ein Kranz von sanften Hügeln schließt die Stadt von drei Seiten her ein. Dicht drängen sich die Häuser in einer Mulde, die sich zum Strom hin weit öffnet.
    »Der Himmel ist hinter den Bäumen ganz schwarz, Sigi.«
    Doch Sigi kümmerte sich nicht um das Gewitter und pflückte weiter. Die Steine spuckte er im Bogen in die Tiefe.
    »Wir müssen nach Hause, Sigi.«
    »Ja. Doch warte, ich will mir ein paar Kirschen mitnehmen.« Schnell zupfte Sigi reife Früchte und sammelte sie in ein Taschentuch.
    Da zuckte ein Blitz auf, fern noch, aber Sigi fuhr zusammen.
    »Los, Karl, wir rennen nach Hause.«
    Wind rüttelte die Wipfel. Sie rauschten auf. Über der Straße wirbelte eine Staubwolke hoch. Eilig kletterten sie aus dem Baum und machten sich auf den Weg.
    Doch die Wolken flogen schnell. Die Jungen waren noch inmitten der Kornfelder, weit vor der Stadt, als die ersten Tropfen schwer herniederschlugen.
    »Wir schaffen es nicht mehr«, keuchte Sigi. »Komm, wir laufen dort auf unseren Friedhof. Da weiß ich einen trockenen Platz.«
    Einen Augenblick zauderte Karl. Zum Judenfriedhof? Ihm fielen die grausigen Geschichten ein, die ihm sein Onkel Bartel von den Gespenstern dort und vom Ewigen Juden erzählt hatte. Aber Sigi schien keine Angst zu haben. Er war schon ein Stück weit weg. Wenn Sigi keine Angst hatte, dann konnte es nicht so schlimm sein.
    Der Regen prasselte herab. Wie eine düstere Insel ragten die alten Bäume des Judenfriedhofes aus den Feldern auf. Eine hohe Hainbuchenhecke umschloss ihn wie eine Mauer. Sigi schaute sich um und wartete, bis Karl ihn erreicht hatte.
    »Hier ist ein Durchschlupf.«
    Er schob die Blätter auseinander. Ein Spalt tat sich auf. Karl erkannte, dass ein Weg innerhalb des Friedhofes rundum führte. Doch Sigi überquerte den Weg und auch einen zweiten Wegkreis, wich einigen Grabsteinen aus und strebte dem Baumriesen zu, der genau die Mitte des kreisrunden Totenackers bildete.
    »Hier hinein«, sagte er.
    Der Stamm war aufgerissen und hohl. Karl zwängte sich durch den Spalt. Der Innenraum war größer, als er vermutet hatte. Schon drängte Sigi nach. Es wurde eng. Aber als sie sich zurechtgesetzt hatten, reichte der Platz für zwei.
    »Das ist eine sichere Höhle«, sagte Sigi.
    Durch den Spalt gleißte das Blendlicht der Blitze. Die Donnerschläge überschlugen sich. Die Jungen rückten dicht zueinander.
    »Ist es nicht gefährlich, beim Gewitter in einem Baum zu sitzen, Sigi?«
    »Ich weiß es nicht. Aber diese Linde ist sicher dreihundert Jahre alt. Nie ist der Blitz hineingeschlagen. Warum also gerade heute?«
    »Trocken ist es ja hier«, gab Karl sich zufrieden.
    Sie schwiegen. Schwere Wolken hatten den Himmel ganz überzogen. Es war fast dunkel.
    Jedes Mal, wenn ein Blitz aufzuckte, sah Karl durch den Spalt einen Grabstein. Er wollte nicht an das Gewitter denken und versuchte, die Schrift zu entziffern. Seltsame Zeichen zeigte der Stein. Ähnliche waren ihm auch in Waldhoffs Werkstatt aufgefallen. Eine gespreizte Hand erkannte er. Karl versuchte, seine Hand auch so zu halten: Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger beieinander und Ringfinger und kleiner Finger eng zusammen, aber weit abgespreizt von den andern. Er versuchte es vergeblich. Sigi sah es und machte es ihm vor. Für ihn schien es leicht zu sein. Karls Finger gehorchten nicht.
    »Bei euch ist alles anders«, sagte er. »Ihr habt eine eigene Schrift, eure Toten beerdigt ihr abseits der Stadt, die Gräber sind düster, ohne Blumen, am Samstag haltet ihr euren Sonntag. Warum ist das eigentlich so?«
    »Wir glauben eben anders«, antwortete Sigi. Nach einer Weile fuhr er fort:

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