Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Es grünt so grün

Es grünt so grün

Titel: Es grünt so grün Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ward Moore
Vom Netzwerk:
Luft merkwürdig flach wirkten, bahnten sich ihren Weg vorwärts. Das Salz schien ihnen nicht mehr als nackter Boden, oder irgendeins der hundert Hindernisse zu bedeuten, die sie schon überwunden hatten. Ohne Verzögerung wuchsen die rankengleichen Ausleger. Einen halben Meter, einen ganzen, zwei, drei. Kein Zurückziehen, kein Zögern, kein Anzeichen, daß sie einen Wall überquerten, der gegen sie errichtet worden war.
    Hinter dieser ersten Vorhut folgten die höheren Gewächse, und noch weiter in der Ferne ragte die große Masse selbst in den Himmel, drohend und schier unerschöpflich löschte sie den Horizont aus. Sie schien ihre Vorläufer nach vorn zu stoßen, und gierig nach immer mehr Raum, sich auszubreiten, zu verlangen.
    Aber das kriechende Vordringen der Ausläufer über die ersten Meter des Salzstreifens verlangsamte sich bis zum Stillstand. Erfahrenen Beobachtern wie mir entlockte das keinerlei Freudenregung; das hatten wir unzählige Male bei der Begegnung mit jedem neuen Hindernis gesehen, und der einzige Effekt war jedesmal der gewesen, daß das Unkraut seine Taktik änderte, um die Sperre zu überwinden, und so war es auch jetzt. Eine zweite Schicht bewegte sich auf der ersten, die angehalten worden war, nach vorn, eine dritte auf der zweiten und so weiter, bis eine lebende Mauer über das Salz ragte und ihren Schatten Hunderte von Metern weit warf. Sie türmte sich nach oben und kippte dann, eine Widerholung der stets erfolgreichen Taktik, vornüber, um einen Brückenkopf zu bilden, von dem aus ein neuer Angriff vorgetragen werden konnte.
    Am nächsten Tag drangen neue Ausläufer aus der grünen Masse, aber jetzt erfaßte uns in unseren schwankenden Aussichtsstationen erstmals so etwas wie Erregung. Die Ausleger waren diesmal nicht nur sichtlich kürzer, sondern krochen auch langsamer, zögernder vorwärts, so als seien sie verletzt. Diesem Eindruck wurde in der Öffentlichkeit allerdings kein Glauben geschenkt, denn die Leute hatten von optimistischen Äußerungen genug; sie hielten unsere Berichte für Wunschdenken. Ihr Pessimismus schien bestätigt, als das Unkraut wie am Vortag weitermachte und nach vorn auf das Salz fiel; und nur wenige schenkten unseren erregten Ankündigungen Interesse, daß das Gras nur die Hälfte der Entfernung zurückgelegt halte.
    Erneut streckten die tastenden Finger sich aus, erneut baute sich die Nachhut auf, erneut kipple das Gewächs nach vorn. Aber diesmal fiel es weitaus kürzer. Es konnte keinen Zweifel mehr geben: Das Vordringen hatte sich verlangsamt, war fast zum Stillstand gekommen. Das Salz zeigte Wirkung.
    Überall an dem ganzen Streifen entlang geschah dasselbe. Das Gras stürzte selbstbewußt voran, fraß sich in große Stücke hinein, dann in kleinere, immer kleinere, bis die Bewegung ganz aufhörte. Der Teil des Grases, der sich auf dem Salz breitmachte, verlor seine charakteristische strahlendgrüne Farbe und wurde fleckig, von Schmutziggrau über Braun bis Gelb, ein Aussehen, das von der normalen Pflanze auf Rasenflächen und freien Plätzen so vertraut war.
    Die eingekreiste Zone füllte sich mit dem gestutzten Unkraut. Hin und wieder versuchte es sich an dem tödlichen Salzstreifen und wurde jedesmal aufgehalten. Die glitzernde Festung blieb trotz dichter Belagerung triumphierend an ihrem Platz und riegelte den Eindringling ab. Mit bebenden Stimmen verkündeten Kommentatoren die freudige Nachricht über alle Sender, und selbst die spießigsten Zeitungen holten ihre schwärzesten Bleilettern heraus, um in riesigen Schlagzeilen zu melden: GRAS GESTOPPT!
33.

    Der Präsident der Vereinigten Staaten, der als ehemaliger Landwirt von sich aus einiges über Gräser wußte, gab anläßlich der Beendigung der Gefahr, die das Land bedroht hatte, eine Erntedanktagserklärung heraus. Die Börse erholte sich aus ihrer Grabestiefe, die Kurse zogen an. In allen großen Städten erhitzte hysterische Verzückung das Blut der Menschen, so daß alle Fesseln fielen. In überschwemmender Freude wurden Frauen auf offener Straße vergewaltigt, Dutzende Banken geplündert und Tausende Milchglasscheiben zerschmettert, während Millionen Menschen in Festtagsstimmung ekstatische Tränen weinten. Zerrissene Fernscheiberstreifen verstopften den Broadway, und die kleinsten Nester entsannen sich spontan der alten Sitte, Plumpsklosetts aus dem Boden zu reißen und auf dem Kirchturm aufzupflanzen.
    Ich hatte meinen eigenen, ganz besonderen Grund zur Freude, der sich mit dem Sieg

Weitere Kostenlose Bücher