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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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lautlosen Schrei auf; sie ließ Richie seine Brille mit beiden Händen hochschieben und um sich starren, als säße ihm der Teufel im Nacken.
    Sie waren jetzt nahe daran, die Flucht zu ergreifen; Bills Warnung, unbedingt zusammenzubleiben, hatten sie fast vergessen. Sie lauschten nur noch den stürmischen Winden der Panik, die ihnen um die Ohren heulten. Und wie im Traum hörte Ben Miss Davies, die junge Bibliothekarin, den kleinen Kindern vorlesen: Wer trippelt und trappelt da über meine Brücke? Und er sah sie, die Kleinen, wie sie sich gespannt vorbeugten, mit stillen, ernsten Gesichtern, wie ihre Augen die ewige Faszination des Märchens widerspiegelten: Wird das Ungeheuer besiegt werden … oder wird Es die Guten auffressen?
    »Ich habe nichts!«, schrie Stan, und er sah sehr klein aus, fast klein genug, um wie ein menschlicher Brief durch einen der Risse im Holzboden zu rutschen. »Du hast deinen Bruder; ich aber habe gar nichts! «
    »D-D-Doch!«, schrie Bill zurück. Er packte Stan, und Ben glaubte einen Moment lang, er wolle ihm eine Ohrfeige geben, und er stöhnte in Gedanken: Nein, Bill, bitte, das ist Henrys Methode, wenn du das tust, wird Es uns alle auf der Stelle umbringen …
    Aber Bill schlug Stan nicht. Er drehte ihn herum und riss das Taschenbuch aus der Gesäßtasche von Stans Jeans.
    »Gib es her!«, schrie Stan und brach in Tränen aus. Die anderen wichen etwas vor Bill zurück, dessen Augen jetzt buchstäblich zu brennen schienen. Seine Stirn glühte, und er hielt Stan das Buch hin wie ein Priester einem Vampir das Kreuz vor die Nase halten würde.
    »Du h-h-h-hast d-d-deine V-V-V-Vö-Vö-Vö…«
    Er hob den Kopf; seine Halsmuskeln traten hervor wie dicke Taue, sein Adamsapfel bewegte sich krampfhaft auf und ab. Ben hatte Mitleid mit seinem Freund Bill Denbrough, er hatte Angst um ihn; aber gleichzeitig fühlte er sich wunderbar erleichtert. Hatte er an Bill gezweifelt? Und die anderen? O Bill, sag’s, bitte, kannst du es nicht sagen?
    Und irgendwie brachte Bill es fertig. »Du hast deine V-V-V-VÖGEL! Deine V-V-VÖGEL!«
    Er warf Stan das Buch zu. Stan fing es auf und sah Bill stumm an. Tränen liefen ihm über die Wangen. Er umklammerte das Buch so fest, dass seine Fingerknöchel weiß wurden. Bill sah erst ihn, dann die anderen ernst an.
    »K-K-Kommt«, sagte er.
    »Werden die Vögel mir helfen?«, fragte Stan mit leiser, heiserer Stimme.
    »Im Wasserturm haben sie dir doch auch geholfen, oder?«, erwiderte Beverly ernst.
    Stan sah sie unsicher an.
    Richie klopfte ihm auf die Schulter. »Komm, Stan«, sagte er. »Bist du ein Mann oder eine Maus?«
    »Ich muss wohl ein Mann sein«, antwortete Stan und wischte sich mit der linken Hand die Tränen vom Gesicht. »Soviel ich weiß, scheißen sich Mäuse nicht in die Hosen.«
    Darüber mussten alle lachen, und Ben hätte schwören können, dass er spürte, wie das Haus vor ihnen – vor diesem gemeinsamen Lachen – zurückwich.
    Es war Mike, der als Erster zu lachen aufhörte und rief: »Das große Zimmer, durch das wir vorhin gegangen sind. Seht doch nur!«
    Alle schauten hin. Das Wohnzimmer war jetzt fast schwarz. Es war kein Rauch, kein Nebel, kein Gas; es war einfach Schwärze, eine fast körperliche Schwärze. Die Luft war ihres Lichtes beraubt worden. Diese Schwärze schien sich vor ihren Augen zu dehnen und zu wabern, schien so etwas wie Gesichter anzunehmen.
    »K-K-Kommt!«, wiederholte Bill.
    Sie ließen die Schwärze hinter sich und liefen den Gang entlang. Drei Türen gingen von ihm ab, zwei mit schmutzigen weißen Porzellanknäufen, die dritte mit einem Loch an der Stelle, wo einmal der Knauf gewesen war. Bill drehte am ersten Knopf und stieß die Tür auf. Bev stand mit gespannter Schleuder neben ihm.
    Ben wich zurück und bemerkte, dass die anderen das Gleiche taten; alle drängten sich hinter Bill zusammen wie eine verängstigte Hühnerschar. Es war ein Schlafzimmer, leer bis auf eine alte, fleckige Matratze. Die rostigen Abdrücke der Federn eines längst nicht mehr vorhandenen Bettkastens hatten sich in dem gelben Bezug der Matratze verewigt. Vor dem einzigen Fenster waren Sonnenblumen zu sehen.
    »H-Hier ist n-n-nichts …«, begann Bill, und plötzlich pulsierte die Matratze in rhythmischen Bewegungen. Sie riss in der Mitte von oben bis unten auf, und eine dicke schwarze Flüssigkeit quoll hervor, färbte sie schwarz und floss dann in langen, klebrigen Ranken über den Boden auf die Türschwelle zu.
    »Zumachen, Bill!«,

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