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Es: Roman

Es: Roman

Titel: Es: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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»Der Werwolf! Bill! Der Teenage-Werwolf! Der Werwolf!« Und plötzlich nahm das bisher umrisshafte Es diese Gestalt an, für Ben, für sie alle.
    Der Werwolf stand über dem Abflussrohr, einen behaarten Fuß links davon, den anderen rechts. Seine grünen Augen stierten sie aus Seinem wilden Gesicht an. Gelblich weißer Schaum sickerte durch Seine gebleckten Zähne. Er stieß ein ohrenbetäubendes Knurren aus. Seine Arme schossen auf Beverly zu, wobei die Säume seiner Highschool-Jacke etwas hochrutschten und ein Stück Fell enthüllten. Sein Gestank war heiß, animalisch und mörderisch.
    Beverly schrie. Ben packte sie am Rücken ihrer Bluse und riss sie so heftig zurück, dass die Nähte unter den Achseln platzten. Eine große Pranke mit langen Krallen durchschnitt die Luft, wo Bev soeben noch gestanden war. Beverly prallte mit dem Rücken gegen die Wand. Die Silberkugel flog aus der Gummimulde der Schleuder heraus. Sie funkelte einen Moment lang in der Luft, dann fing Mike sie blitzschnell auf und gab sie Beverly zurück.
    »Schieß, Baby«, sagte er. Seine Stimme klang ganz ruhig, fast heiter. »Erschieß Ihn jetzt und hier!«
    Der Werwolf hob den Kopf zur Decke und stieß ein entsetzliches Geheul aus, das einem das Blut in den Adern gefrieren ließ.
    Dann verwandelte sich das Heulen in Gelächter. Der Werwolf sprang Bill an, während dieser sich nach Beverly umdrehte. Ben versetzte ihm rasch einen heftigen Stoß, und Bill fiel hin.
    »Schieß, Bev!«, schrie Richie. »Um Gottes willen, erschieß Es!«
    Der Werwolf machte einen Satz vorwärts; Ben zweifelte weder damals noch später daran, dass Er genau wusste, wer ihr Anführer war. Er hatte es in erster Linie auf Bill abgesehen. Beverly spannte die Schleuder und schoss. Sie wusste sofort, dass sie schlecht gezielt hatte. Aber diesmal beschrieb die Kugel keine rettende Kurve. Sie verfehlte das Monster um knapp einen halben Meter und schlug ein Loch in die Tapete über der Badewanne. Bill, dessen Arme an zahlreichen Stellen bluteten, weil Porzellansplitter ihm die Haut aufgerissen hatten, stieß einen lauten Fluch aus.
    Der Werwolf wirbelte herum und starrte Beverly mit Seinen glühenden grüngelben Augen an. Ohne zu überlegen, stellte Ben sich schützend vor sie, während sie in ihrer Tasche nach der zweiten Silberkugel tastete. Ihre Jeans waren viel zu eng, weil sie – ebenso wie die Shorts, die sie am Todestag von Patrick Hockstetter getragen hatte – noch vom Vorjahr stammten. Endlich schlossen ihre Finger sich um die Kugel, aber sie entglitt ihr sofort wieder. Sie tastete abermals, fand sie und krempelte beim Herausziehen die Tasche nach außen. Vierzehn Cent, zwei alte Kinokarten sowie Baumwollflusen fielen auf den Boden.
    Der Werwolf machte einen Satz auf Ben zu, der schützend vor ihr stand … und ihr damit auch die Sicht raubte. Der Kopf des Werwolfs war in der tödlichen Angriffshaltung eines Raubtiers gesenkt, die Kiefer schnappten auf und zu. Ben packte blindlings zu. In seinen Reaktionen war jetzt kein Platz für Angst – stattdessen spürte er eine Art nüchternen Zorn, vermischt mit Verwirrung und dem Gefühl, dass die Zeit plötzlich zum Stillstand gekommen war. Er grub seine Hände in raues, struppiges Haar – das Fell, dachte er, ich habe Es am Fell gepackt! -, und darunter spürte er schwere Schädelknochen. Er stieß mit all seiner Kraft nach diesem Wolfskopf, doch obwohl er ein großer, starker Junge war, blieb das völlig wirkungslos. Wenn er nicht im letzten Moment bis zur Wand zurückgewichen wäre, hätte der Werwolf ihm mit Seinen Zähnen die Kehle aufgeschlitzt.
    Mit grüngelb funkelnden Augen verfolgte Es Ben. Der Werwolf knurrte bei jedem Atemzug. Er stank entsetzlich nach Kanalisation, aber da war auch noch ein anderer, ebenso unangenehmer Geruch – wie nach verschimmelten Haselnüssen. Er hob eine Seiner schweren Pranken, Krallen rissen dicht neben ihm blutlose Wunden in die Tapete und den schimmligen Verputz. Er hörte verschwommen Richie etwas brüllen, Eddie heulen, Bev sollte Ihn doch erschießen. Aber Beverly schoss nicht. Sie hatte nur noch eine einzige Chance. Das beunruhigte sie aber nicht; sie war plötzlich überzeugt, dass sie beim nächsten Schuss treffen würde. Sie sah alles mit überwältigender Schärfe. Die dreidimensionale Wirklichkeit trat für sie in diesem Moment so deutlich zutage, wie sie es später nie mehr erleben sollte. Sie beherrschte jede Farbe, jeden Winkel, jede Distanz. Jede Angst fiel von ihr

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