Extrem skurril - Heiteres, Unglaubliches und Skurriles aus Alltag, Recht & Co.
Vaterunser hat 56 Wörter, die Zehn Gebote haben 297 und die amerikanische Unabhängigkeitserklärung 300. Aber eine Verordnung der EWG-Kommission über den Import von Karamellen und Karamellprodukten zieht sich über 26.911 Wörter hin.". Dieser Ausspruch ist aus 1974 geht auf den damaligen Präsidenten des Bundesverbandes Deutscher Banken, Alwin Münchmayer zurück, der im SPIEGEL die Europäische Praxis der Regulierung anprangern wollte. Ein sehr treffender und knackiger Satz, der so markig war, dass die Politik nicht lang zögerte, diesen zu übernehmen.
Franz Josef Strauß, rhetorisch begabter und immer gern mit Zahlen um sich werfender CSU Politiker, wandelte ihn dahingehend ab, dass er ihn so nutzte, um 1986 die EU Regulierung anzugreifen und damit auf Stimmenfang zu gehen: "Die Zehn Gebote enthalten 279 Wörter, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung 300, die Verordnung der Europäischen Gemeinschaft über den Import von Karamellbonbons aber exakt 25.911!". Mit diesem Satz erntete er Applaus und tatsächlich hält sich dieser Satz in dieser oder in leicht abgewandelter Form seit dem oben in der Rangliste der Lieblingsphrasen von Politikern und ist in regelmäßigen Abständen wiederkehrend in Wahlkämpfen zu hören, wenn es darum geht, die europäische Idee zu verdammen.
Aber dieser – zugegeben tatsächlich aussagekräftige - Satz lehrt noch etwas anderes: Nämlich dass sich sehr schnell Unwahrheiten verbreiten können, wenn sie nur gut und geschickt vermittelt werden. Wer würde diesen Satz schon angreifen oder kritisieren? Er trifft den Nerv vieler Menschen und Wähler, zumal ohnehin angenommen wird, dass durch die EU ein "zu viel" an Regulierung durchgeführt wird. Ein näherer Blick auf diesen Satz (und auch auf weitere, abgewandelte Sätze dieser Art) offenbart jedoch, dass es blanker Populismus ist. Die Wortanzahl der zehn Gebote mag je nach Übersetzung stimmen, aber schon die amerikanische Unabhängigkeitserklärung hat ohne die Unterschriften 1.300 Worte, hier wurde also klar gemogelt. Die größte Mogelei jedoch ist die erwähnte Verordnung zum Import von Karamellbonbons, die ist nämlich schlichtweg erfunden! Es gibt weder diese Verordnung, noch ähnliche Verordnungen zu diesem Thema. Münchmayer als ursprünglicher Satzschöpfer überspitzte es einfach und Jahre später übernahm Strauß diesen Satz, der gut beim Wähler ankam und seither bis heute regelmäßig zitiert wird.
So gut und populär ein markiger Satz von Politikern auch klingen mag, eine Überprüfung lohnt sich in vielen Fällen. Diese Arbeit macht sich in der Regel kein Wähler oder Zuhörer solcher Sätze, immerhin haben Politiker Vorschussvertrauen und werden ernst genommen, wenn sie mit Zahlen um sich werfen. Aber gerade mit Zahlen wird gern gespielt und manipuliert, wie Sie an diesem Beispiel sehen: Dieses Zitat mit der Karamellverordnung bzw. der Importverordnung für Karamellbonbons traf den Nerv und schien unterschwellig das zu bestätigen, was viele Bürger annahmen und vermuteten, was das ferne Brüssel anging. Wie sonst ließe sich erklären, dass selbst hochrangige und seriöse Medien dieses Zitat noch heute gern verwenden oder unreflektiert übernehmen, wenn mal wieder ein Landespolitiker damit auf Stimmenfang geht und für heimische Kompetenzen wirbt?
Wussten Sie übrigens,....
…. dass das berühmte Winston Churchill Zitat „Ich glaube nur an Statistiken, die ich selbst gefälscht habe“ sich nicht belegen lässt was die Urheberschaft angeht? Bis heute ist es keinem Historiker gelungen, eine entsprechende Quelle zu finden, die die Urheberschaft Winston Churchills an diesem oder einem ähnlichen Satz beweist. Zudem ist dieses Zitat und die Verbindung zum früheren englischen Premierminister nur im deutschen Sprachraum verbreitet. Engländer selbst kennen weder dieses Zitat, noch die angebliche Urheberschaft ihres früheren Staatsmannes.
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Das Märchen von der Staatsverschuldung....
Wir bleiben bei den gern verwendeten Phrasen von unseren Politikern und werfen einen Blick auf die Staatsverschuldung. Es wird immer wieder in der einen oder anderen Variante argumentiert, dass eine hohe Staatsverschuldung negativ wäre oder das künftige Generationen dann diese Schulden erben würden. Schulden, die zukünftig aus den Zins- und Tilgungszahlungen dieser neuen Schulden von heute bestehen würden. Aber ist dem wirklich so?
Zur Staatsverschuldung kann man gleich mehrere
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