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Fado Alexandrino

Fado Alexandrino

Titel: Fado Alexandrino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: António Lobo Antunes
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Oberstleutnant den Blick kein einziges Mal vom Nacken des Fahrers, vom kurzgeschorenen Haar, den Sommersprossen oder Pickeln oder Pusteln am Hemdkragen. Der Volkswagen roch nach den Zigarillos und dem After-shave des Kommandeurs, in dem in die Tür eingelassenen Metallaschenbecher häuften und wanden sich Kippen wie Würmer: Warum zum Teufel schreiben sie uns so behutsam nach Afrika, dachte er, als hätten sie es mit Genesenden und Kindern zu tun, warum lügen sie uns mit dem endlosen, konzentrischen, dummen Um-den-Brei-Herumgerede an: Das Kobalt hat mir ziemlich gutgetan, Lieber, ich habe überhaupt keine Schmerzen, habe nicht noch mehr abgenommen, der Arzt ist wahnsinnig nett, er kennt dich, er war mit dir im Gymnasium in einer Klasse.
    – Und mir fiel sofort ein mickriger Kerl mit großer Nase ein, sagte der Oberstleutnant zu mir, einer, der in Turnen furchtbar schlecht war und ständig um den blöden Priester rumwuselte, der Moralunterricht gab, einer, der immer ganz fromm war, immer spendete, immer zur Messe ging und sich für die Prügel, die wir ihm als Kinder verpaßt haben, rächte, indem er den Leuten die Bäuche aufschnitt.
    Vor dem Raum, in dem die Sprechstunde abgehalten wurde, gab es viele Kranke, die still und schafsgleich darauf warteten, daß eine Tür aufging und ihr Name gerufen wurde, sie betrachtet, abgetastet, ihnen etwas verschrieben, sie beraten, sie mit einem
Rezept in der Hand wieder weggeschickt wurden: Kommen Sie im nächsten Monat oder im übernächsten oder im überübernächsten, im überüberübernächsten Monat wieder, tut uns leid, vielleicht haben wir dann ein Bett frei. Leute auf langen Bänken, Papier, Zigarettenkippen und Mandarinenschalen auf dem Boden, das Aschgrau einer granulösen Helligkeit trübte schräg die Gesichter, eine Frau im Kittel fegte zwischen tausend Beinen den Müll in ein Holzgefäß. Der Schnuller eines Säuglings fiel auf die unsäglich dreckigen Fliesen, und die Mutter stopfte ihn geschwind wieder in den zu einem gräßlichen Gebrüll aufgerissenen Mund. Ein gelblicher Mann neben ihm, so dünn, daß er wie aus Draht gemacht wirkte, las die sorgfältig mit dem Daumennagel gefaltete Zeitung: die letzte Haltestelle, der letzte Bahnhof, die Endstation: die Typen von den Bestattungsunternehmen müssen hier täglich vor Anker gehen und ihre Geschäfte abschätzen, Bilanz ziehen, die Anzahl der Särge errechnen.
    – Natürlich war ich im Ausland, erklärte der Funkoffizier, während er feinsäuberlich die Haut des Fisches mit der Messerspitze abhob, aber aus nahestehenden Gründen bin ich nicht über Paris hinausgekommen. Sie machen sich keine Vorstellung von der Menge der Informanten, Herr Hauptmann, die die politische Polizei außerhalb Portugals ausgesät hatte.
    Er fragte einen Angestellten mittleren Alters, der humpelnd ein Bündel Wäsche transportierte, nach der Station seiner Frau und landete, indem er gewissenhaft dem komplizierten Rat, den man ihm gegeben hatte, gefolgt, Treppen hinaufgestiegen, über Stufen gestolpert war, sich auf Korridoren verlaufen hatte, die von bleistiftgeschriebenen Sätzen verkratzt waren, schließlich in einem engen Labor, in dem ein Glatzkopf in Schürze, die Hände in den Taschen, eine Reihe Reagenzgläser in einem Holzständer betrachtete.
    – Zehn Jahre, das ist eine verdammt lange Zeit, sagte der Leutnant, indem er gemächlich den Kopf schüttelte. Sehen Sie doch nur, wie ich mich verändert habe.

    – Drei Kinder, Herr Hauptmann, flüsterte der Soldat mir zu. Ich habe ab der zweiten Monatshälfte Mordsschwierigkeiten.
    Er versuchte den Weg noch einmal in umgekehrter Richtung zu gehen, doch er fühlte sich verloren in einem Labyrinth aus Wänden, Ecken, Stufen, Türen, die sich nicht öffneten, Fahrstuhlknöpfen, auf die er nicht zu drücken wagte. Hin und wieder begegnete er einer von zwei weiblichen Hilfskräften gefahrenen Krankenbahre auf Rädern (eine von ihnen hielt unweigerlich eine Flasche Infusionslösung wie ein Banner in der hochgereckten Hand), auf der, einem Spatzen gleich, ein Typ mit geschlossenen Augen und einem Wasserspeiermund lag. Abblätternde Decken, Stücke von mit rosa Pflaster angeklebten Plakaten, kreisrund und eiweißglibbrig ein riesiger Fleck Auswurf: einen Augenblick lang stellte er sich Keller voller Leichen vor, die sich wie er in dem Irrgarten mit spärlichen, vor der gleichförmigen Melancholie des Nachmittags verschlossenen Fenstern verliefen, in dem es nach Äther, Desinfektionsmittel

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