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Felidae 4 - Das Duell

Titel: Felidae 4 - Das Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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ein Mensch, die strahlend weißen Augäpfel bezeugten es. Bis auf einige sehr seltene Arten besitzen Tiere keine weißen Augäpfel. Aber die Form des Schattenrisses gab auch Anlaß zu Zweifeln. Ich konnte mich irren, doch erschien mir der Kopf im Verhältnis zu dem nur schemenhaft erkennbaren Körper für einen Menschen zu groß. Allenfalls hätte es sich angesichts dieser Proportionen um ein kleines Kind handeln können. Dem widersprach wiederum, daß die Silhouette zwar kurz geraten, aber dafür ziemlich bullig wirkte.
    Aber was sollten diese Spekulationen? Alles, was ich aus dieser Entfernung erkennen konnte, war nichts weiter als eine Chimäre, obendrein verborgen hinter verschneitem Pflanzenwerk. Bei dem Unhold hätte es sich auch um einen Marsmenschen handeln können. Oder tatsächlich um ein Monster – wobei wir wieder beim Thema waren. Und das lautete, einen fixen Abgang machen, bevor ich in die Verlegenheit kam, meinen Hals in die Schlinge zu legen. Also setzte ich mit den Hinterbeinen zu einem Sprung Richtung Mauerkante an.
    In diesem Moment hechtete das Phantom hinter der Pflanzenarabeske los. Seltsamerweise jedoch nicht in meine Richtung, sondern, als wolle es mich imitieren, zu der hinter ihm befindlichen Mauer. Das hieß nicht mehr und nicht weniger, daß es floh! Für den Bruchteil einer Sekunde gewahrte ich eine affenflinke Kraxelei, die schemenhafte Hinteransicht eines nicht näher identifizierbaren Leibes und, als der Schatten auf der Mauer war, erneut die glühend weißen Augen, die mir einen blitzkurzen, aber durchdringenden Blick zuwarfen. Dann sprang das Phantom über die Mauer und war verschwunden.
    Wer oder was war das gewesen? Ein Gespenst, das sich nicht an die Geisterstunde hielt? Oder vielleicht doch ein mordlustiger Schimpanse, der sich auf der Flucht vor seinen Zoowärtern ein bißchen kostümiert hatte? Viel wahrscheinlicher erschien mir jetzt, daß es sich um einen außerordentlich gut trainierten Kerl handelte, der, wiewohl ein bißchen klein geraten, wahre Artistenstücke mit seinem Körper vollbringen konnte. Das wiederum wies auf einen Professionellen hin, womöglich verdiente er seine Brötchen mit dem, was dieser Körper so großartig zu leisten imstande war. Vielleicht ein Ausputzer, ein Mann für delikate Aufgaben, der jedes Problemchen routiniert und ohne viel Aufhebens löste. Aber wieso killte er dann ausgerechnet ein kleines Tier, ein Auftrag, den jedes fünfjährige Menschenkind mit links hätte erledigen können, anstatt eines mißliebigen Politikers? Und warum nahm er Reißaus vor mir, dem Zeugen seiner Schandtat und ihm geradezu lachhaft unterlegen?
    Trotz der Angst, die mir noch in den Gliedern steckte, und trotz des Zitterns, das sich inzwischen meines Körpers bemächtigt hatte, wollte ich diesen Fragen nachgehen. Denn meine Neugier würde mich eher um den Verstand bringen, als auf Antworten zu verzichten. Also lief ich quer durch den Garten zu dem Mauerwinkel, wo der Fremde sich aufgehalten hatte. Mit einem flotten Satz wollte ich es ihm gleichtun und oben Posten beziehen, um zumindest die ungefähre Richtung zu erspähen, die er eingeschlagen hatte. Gerade machte ich mich zum Sprung bereit, da ereilte mich das gleiche Schicksal wie vorhin, und meine zum Abheben angesetzten Hinterbeine blockierten.
    Nein, was ich jetzt über mir erblickte, war nicht der Unhold, der es sich anders überlegt hatte und zurückgekehrt war, um sein Lasso um meinen Hals zu werfen, sondern gleich vier von meinesgleichen. Sie erschienen wie durch einen Zaubertrick ganz plötzlich auf der Maueroberseite und glotzten etwas konsterniert auf mich herab. Ein Exemplar war mir besonders vertraut: Fabulous, die Göttin meiner Sommerschmachterei, die langhaarige, milchkaffeefarbene Wuscheldiva, die mit ihrem lasziven Blick aus goldglühenden Augen männliche Herzen in Serie zu zerschmettern vermochte. Um sie herum zwei Freundinnen, halbwüchsige kohlschwarze Dinger, die auch nicht zu verachten waren. Und alle diese pulsschlagbeschleunigenden Schönheiten scharten sich um einen jungen Burschen, dessen Erscheinung mit dem Wort »unsympathisch« nur unzulänglich beschrieben ist – jedenfalls in meinen Augen. Die Damen strichen um ihn herum, suchten seine körperliche Nähe, hingen an seinen Lippen, als würde er jeden Augenblick die ultimative Formel für ewige Schönheit bekanntgeben, und benahmen sich überhaupt wie aufgeregte Hühner beim Anblick des Prachtgockels. Ich Tölpel jagte im

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