079 - Die Geisterspinne
Die Hemden und Hosen klebten am Körper. Der fahle Nebel, der über dem mäßig bewegten Wasser hing wie der Schleier vor einer Gruft, schien nach Schwefel zu stinken. Das einzige Reale war im Augenblick das Brummen der starken Schiffsmaschinen.
Entmutigt ließ Dorian das schwere Fernglas sinken. Seine Hände waren feucht; er schwitzte trotz des Fahrtwindes. Die Sacheen machte rund fünfzehn Knoten Fahrt.
„Verfluchter Scirocco!" sagte er und hatte das dringende Verlangen nach einem eisgekühlten GinTonic im klimatisierten Wohnraum.
„Keine Sorge, Hunter", brummte Andrea Mignone, der Steuermann. „Wir haben das Radargerät eingeschaltet."
„Trotzdem - es ist unnatürlich-, widersprach Jeff Parker laut. „Jetzt, im März, würde ich kalten Wind und hohen Seegang erwarten und nicht diese verdammte Waschküche."
Sie standen, über die leichte Kleidung nur die gelben Schiffsjacken gestreift, auf der oberen Brücke der weißen Jacht. Ihr Kurs stand fest, aber das Ziel versteckte sich. Es war die Teufelsinsel, die irgendwo dort im Nebel lag. Niemand konnte sagen, wann man sie erreichen würde. Dorian Hunter wußte, daß Asmodis Insel mit keinen normalen Maßstäben zu messen war.
„Seit du Theoreticus bist, solltest du dich auch geistig mit den dämonischen Wundern beschäftigen, mein Freund", sagte Dorian so leise, daß Mignone nichts verstehen konnte.
„Für mich ist diese Fahrt ein Abenteuer. Aber du weißt, daß ich nichts glaube, ehe ich es sehe." Dorian deutete nach vorn. Der messerscharfe Bug der Neunzig-Fuß-Jacht spaltete das Wasser in zwei mächtige, schaumgekrönte Bugwellen. Die Kielspur war dreieckig und weiß. Keiner der zehn anderen Menschen ließ sich blicken. Sie saßen alle - oder fast alle - in den Räumen mit Klimaanlage.
„Seit fast drei Tagen und Nächten suchen wir. Dort irgendwo ist die Insel. Für mich ist der Nebel der erste Beweis."
Die Mannschaft war nur teilweise eingeweiht. Dreizehn Menschen befanden sich auf der Sacheen. Davon waren mindestens sechs - nämlich die meisten Männer - ganz besondere Typen. Sie hatten behauptet, sie würden weder Tod noch Teufel, weder eine verwunschene Insel noch Dämonen fürchten. Dorian hatte die unbestimmte Ahnung, daß alle das Fürchten gelernt haben würden, wenn sie die Insel wieder verließen; falls sie dann noch lebten.
„Moment! Habt ihr das gehört?" fragte Andrea unsicher.
Sie hatten nichts gehört als das Rauschen des Wassers, das Schlagen der Wellen gegen den Rumpf und das dumpfe Dröhnen der Maschinen. Dorian wußte, daß sogar das Radargerät versagen konnte, wenn es um das Geheimnis von Asmodis Toteninsel ging.
„Einwandfrei ein Möwenschrei", sagte Andrea.
Er war ein kleiner, breitschultriger Italiener, den Jeff Parker, wie er sagte, mit der Jacht gekauft hatte; meist schweigsam, zuverlässig, ein exzellenter Steuermann, aber unerträglich, wenn er ein Glas zu viel getrunken hatte; dann redete er ununterbrochen und war rechthaberisch. Es wurde überhaupt viel Alkohol getrunken; am meisten wohl von Dixie, der Kunststudentin aus Rom.
„Unsinn!" antwortete Parker. „Möwen gibt es nur in Landnähe."
„Dann sind wir eben in Landnähe", sagte Dorian laut.
Er dachte an die Karte, die er in der verschütteten Alchimistenküche von Michele da Mosto gefunden hatte, seiner eigenen, früheren Werkstatt. Auch Parker hatte sie gesehen, ebenso die Stelle, die von dem Geheimnisvollen, der die Pest eingeschleppt hatte, markiert worden war. Von dem angeblichen Versteck der Mumie des Hermes Trismegisto wußten allerdings nur Coco, Parker und Dorian selbst. Diese Mumie suchten sie. Es wäre sinnlos gewesen, den anderen erklären zu wollen, daß Dorian Hunter in Hermes' Mumie das Geheimnis des Steins der Weisen vermutete. Sie glaubten ohnehin nicht besonders viel. Es ging ihnen um die Bezahlung, das Abenteuer und die versprochene Beute.
„Ich habe mich nicht geirrt, Parker. Hört!"
Jeff bedeutete ihm, die Maschinenleistung zu drosseln. Binnen weniger Sekunden verringerte das Schiff seine Fahrt, die Wellen wurden kleiner.
„Tatsächlich!" rief Dorian. „Eindeutig!"
Vor ihnen, unsichtbar im Nebel, schrien einzelne Möwen, laut und durchdringend. Dorian, durch die lange und ereignislose Suche abgestumpft, schrak zusammen und war schlagartig voll konzentrierter Aufmerksamkeit.
„Ich weiß doch, daß ich gute Ohren habe. Ich höre alles." Andrea grinste und entblößte die gelben Zähne.
Dorian und Parker sahen sich schweigend
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