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Formbar. Begabt

Formbar. Begabt

Titel: Formbar. Begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juna Benett
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eigentliche (Trauer-)Spiel des Abends kann beginnen. Viv rührt wild in den Schnipseln herum, zieht einen heraus, faltet ihn auseinander und liest die erste Aufgabe vor: »Hüpfe rückwärts einmal ums Feuer und pfeife dabei die Nationalhymne.«
    Mensch, da war ja jemand total kreativ! Meine Aufträge sind für diese Runde dagegen geradezu überqualifiziert!
    Die Flasche wird in Bewegung gesetzt. Ich beginne mit meiner altbekannten Hypnose.
    Das Teil wird nicht bei mir stehen bleiben. Nicht bei mir.
    Lucas – Ich atme auf. So muss das jetzt nur noch knapp 30 Runden lang laufen. Kein Problem. Ich will nach Hause.
    Lucas scheint auch nicht sehr begeistert zu sein. Hüpfen und pfeifen, das wird spannend. Allerdings muss ich zugeben, dass die Umsetzung ungeahnte Heiterkeitsausbrüche auslöst, als er rückwärts über eine Zeltschnur stolpert und auf Laros Schoß landet. Sie sieht nicht so aus, als hätte sie etwas einzuwenden – im Gegenteil.
    Leider kann ich auch in den folgenden Runden weder genießen, dass sich Marius mit einer Brötchenhälfte auf dem Kopf singend als Döner präsentiert, noch dass Viv wild gestikulierend vor Laro kniet und dieser mit unverständlichen Worten, die ihrer Meinung nach wohl chinesisch klingen sollen, ihre Liebe gesteht.
    Jan hat bisher nur eine Aufgabe bekommen (»Beschreibe deine Unterhose mit drei Worten!«), die er mit einem lässigen »Boxershorts, schwarz, bequem« abtat. Unnötig zu erwähnen, dass ich nach dieser Information damit beschäftigt bin, mein inneres Gleichgewicht wiederherzustellen und nicht daran zu denken, wie er in den von ihm beschriebenen Boxershorts aussieht. Bisher sind fünfzehn Runden gelaufen, und die Flasche hat noch kein einziges Mal auf mich gezeigt. Trotzdem werde ich fast verrückt vor Anspannung. Auf Dauer kann ich dem Zufall nicht entgehen. Das weiß ich sicher. Bleibt nur zu hoffen, dass ich eine moderate Aufgabe bekomme.
    Unsanft werde ich von Jasmin aus meinen Gedanken gerissen, die den nächsten Zettel auseinander gefaltet hat und vorliest. Ihre Stimme klingt ungläubig. »Nimm ein Bad im nahegelegenen See.«
    Um Himmels Willen, wer denkt sich denn sowas aus? Man läuft doch immer Gefahr, die eigenen Sachen selbst machen zu müssen? Wir haben April! Ich wusste noch nicht einmal, dass es hier einen See gibt. Forschend schaue ich meinen Mitspielern ins Gesicht, aber alle wirken ebenso überrascht wie ich selbst. Kurz darauf lüftet sich das Geheimnis, denn Marius kennt als Einziger die genaue Lage. Na klar, er hofft wohl darauf, dass eines von uns Mädchen leichtbekleidet ins Wasser hüpft.
    Säße mir nicht Jan gegenüber, hätte ich kein Problem damit. Ich würde einfach noch einen Schluck Wein trinken und mich mit meinem Schicksal arrangieren. Aber nicht heute Abend! Ich müsste in Kleidern ins eiskalte Wasser springen, denn ausziehen kommt nicht in Frage! Wenn ich geahnt hätte, dass ich mich in Unterwäsche präsentieren muss, würde ich jetzt statt pinkem BH und Snoopy-Slip ein elegantes, schwarzes Ensemble tragen.
    Auf gar keinen Fall!
    Jasmin setzt die Flasche in Bewegung. Auf Jan sollte der Hals zeigen. Er hatte bisher geradezu unverschämtes Glück und blieb bis auf das eine Mal verschont.
    Na los doch, Flasche! Zeig auf Jan! Er soll diese blöde Aufgabe erledigen! So kann ich gleich nachprüfen, ob die Boxershorts-Geschichte stimmt!
    Die Flasche stoppt. Der Hals zeigt auf Jan.
    Ein Ruck geht durch seinen Körper. Er hebt den Kopf und schaut mich an. Seine kalten, hellen Augen sprühen vor Zorn, und seine Lippen sind zu einem schmalen Strich zusammengepresst.
    Was guckt er mich so an? Ich kann schließlich nichts dafür!
    Der Rest der Runde bricht in erleichtertes Gelächter aus. Jeder ist froh, dass er selbst nicht getroffen wurde. Viv wirft mir einen verschwörerischen Blick zu und steht auf. »Dann mal alle zum See. Hat jemand Handtücher, damit sich Jan bei der Aktion keine Lungenentzündung holt?«
    In bester Laune eskortieren wir Jan zum See, der sich tatsächlich in fast unmittelbarer Nähe zum Zeltplatz befindet. Der Nachthimmel ist wolkenlos, sodass die Bäume im fahlen Licht des Mondes harte Schatten werfen. Wenn ich jetzt mit Jan alleine wäre, könnte ich mich ängstlich an ihn schmiegen, er würde den Arm um mich legen und wir würden gemeinsam die geheimnisvolle Atmosphäre genießen. Oder er würde mich mit einem Blick erdolchen und verblutend im Wald liegen lassen.
    Im kühlen Wind stehen wir leicht fröstelnd am See und

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