Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition)
meine Eltern auf dem Camping-Platz in Saló ,
in der Nähe unseres Wohnorts, einen Großhändler für dekorative Gegenstände aus
Messing kennengelernt, der ihnen versicherte, das Zeug wäre der letzte Schrei
und würde sich wie warme Semmeln verkaufen. Meine Eltern, die noch sehr jung
und unternehmungslustig waren, beschlossen, ohne groß darüber nachzudenken, ins
Messing-Geschäft einzusteigen. Kurzerhand absolvierte meine Mutter die Prüfung
für den Händlerschein und meine Eltern kauften einen Marktstand, der sich
leicht auf- und wieder abbauen ließ und wurden Kunden beim Messing-Großhändler.
Im Sommer 1982 konnte man die Ware meiner Eltern erstmalig auf allen größeren
Wochenmärkten am Gardasee- Westufer bewundern. Die Ware bestand aus einem
Sammelsurium verschiedener Amphoren, Karaffen, Vasen, Teller, Unterteller,
Mörser, Sonnenkalender (!), Kerzenständer, Schalen, Schälchen, Schüsseln,
Kerzenständer, Tabletts und sonstigem überflüssigen Kram. Natürlich war alles
aus Messing, dem neuen In-Metall.
Wir Kinder
ließen uns vom Enthusiasmus meiner Eltern natürlich anstecken und waren immer
vorne mit dabei, wenn es darum ging, die guten Stücke mit unserem
„Firmen-Schildchen“ zu versehen (konsequenterweise ebenfalls aus Messing). Den
Geruch, den Messing an den Händen hinterlässt, habe ich noch heute gut in
Erinnerung und ich könnte ihn ohne weiteres vom Geruch jeder beliebigen anderen
Metalllegierung auseinander halten (leider hat mir diese Fähigkeit im Leben nie
irgendeinen nennenswerten Vorteil eingebracht). Bei der Arbeit träumten wir
alle von unserem zukünftigen weltweiten Messing- Imperium.
Die treusten Kunden meiner Eltern waren, wie könnte es anders sein,
deutsche Gardasee-Touristen, die, benebelt durch das ausgelassene
Urlaubsfeeling und offenbar ausgestattet mit einem gut gefüllten Portemonnaie,
Unmengen dieses Zeugs kauften und in ihren BMWs nach Deutschland karrten.
Offensichtlich fanden die Gegenstände in den deutschen Heimatorten regen
Zuspruch, denn die Kundschaft wuchs durch die Mund-zu-Mund-Propaganda von Jahr
zu Jahr. Vielleicht lag es aber auch an der sympathischen und überaus
engagierten Art meiner Eltern, dass sie so erfolgreich waren. Jedenfalls
verkaufte sich die Ware überraschend gut und mit einer hübschen Gewinnmarge.
Ich für
meinen Teil konnte einfach nicht glauben, dass Leute so viel Geld für einen
solchen Schund ausgaben. Was ich mir allerdings gut vorstellen konnte, war, wie
es in vielen deutschen Haushalten zu jenen Zeiten ausgesehen haben mochte. In
unserer Wohnung und in denen unserer Verwandten war nämlich weit und breit kein
Eck ohne Messing-Accessoire zu finden: Während ein monströser sechsarmiger
Kerzenständer den Kaminsims meiner Oma verunstaltete, zierten verschiedene
Teller und Gefäße fragwürdigen Nutzwerts unsere Regale und Wohnzimmerschränke.
Meine Tante, die offensichtlich ein Faible für Mörser hatte und eine ganze
Serie davon zum Verwandtschaftspreis erstanden hatte, hatte für sie immerhin
eine sinnvolle Verwendung als Türstopper gefunden, wog der kleinste Mörser samt
dazugehörigem Stößel doch einige Kilo. Weil das geschätzte spezifische Gewicht
von Messing sich eben zwischen fünf und sechs Tonnen bewegt, zog sich meine
Mutter beim Auf- und Entladen der
Ware binnen kurzer Zeit einen Bandscheibenvorfall zu, der das jähe Ende unseres
erfolgreichen Messinghandels bedeutete (mein Vater hatte seinen Jahresurlaub
dafür verwendet, sie im Sommer auf den Märkten zu begleiten und ihr zur Hand zu
gehen, aber Jahresurlaube gehen irgendwann auch zu Ende).
Die
unverkauften Gegenstände, die meine Eltern im Lager, sprich in der Garage
meiner Oma, noch hatten, wurden im Laufe der kommenden Jahre zu Geschenken und
Mitbringsel für Freunde und Verwandte umfunktioniert. Irgendwann hatte aber
wirklich keiner mehr Lust auf Messing, Geschenk hin oder her. Die Messing-Ära
war schlicht und ergreifend untergegangen und unsere Träume vom Weltimperium
gleich damit.
Sollte einer
der freundlichen Leser bei sich zuHause
noch einen Messing-Gegenstand und dazugehöriger Plakette mit der Gravierung
„Val-Art“ finden, würde ich mich sehr freuen, wenn er sich bei mir melden
würde, um über die gute alte Zeit zu plaudern (ich helfe Ihnen auf die Sprünge:
Mein Vater war der kleine, schwarzhaarige Mann mit Schnurrbart und üppiger
Brustbehaarung, der sich immer überschwänglich freute und mit Handschlag
bedankte, wenn er einen noch so
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