Frag mich nach Sonnenschein -- Eine Italienerin in Deutschland (German Edition)
gleichzeitig, damit
es nicht langweilig wurde, in einer lebhaften Diskussion mit Martin zum Thema
„zurechtweisende Pappschilder auf meiner Windschutzscheibe“ verfangen. Heute
hatte ich die Botschaft „Dein Auto sieht aus wie ein Saustall“ erhalten und,
obwohl sie durchaus der Wahrheit entsprach, konnte ich eine solche Einmischung
in meine Privatsphäre einfach nicht zulassen. Mein Auto ist nämlich ein Teil
von mir und meiner Persönlichkeit. Aus patriotischen Gründen und trotz der eher
kritischen Haltung der Deutschen gegenüber italienischen Autos, hatte ich mich
beim Wagenkauf für einen gelben Fiat Punto sporting entschieden. Das Unternehmen FIAT (Akronym für fabbrica italiana automobili
Torino, um das ein für alle Mal klarzustellen!) hatte vor Kurzem eine
rührende Werbekampagne gestartet, in der Sätze wie „Ein Vaterland, ein Auto“,
„Bauen wir zusammen Italien wieder auf“, und „Wenn nicht Du, wer?“ Italiener
motivieren sollten, mit dem Kauf eines FIATS der angeschlagenen italienischen
Automobilindustrie wieder auf die Beine zu helfen. Unter uns: Im Ausland
lebende Italiener sind für solche Gefühlsduseleien besonders anfällig, weil sie
unter dem schlechten Gewissen leiden, ihr Vaterland in schwierigen Zeiten (und
das ist im Fall von Italien auf keinen bestimmten Zeitpunkt beschränkt) im
Stich gelassen zu haben.
Als ich den
Fiat Punto erworben hatte, hatte ich also die
italienische Fahne vor meinem geistigen Auge wehen sehen und vor Rührung und
Heimweh fast geweint. Nun wollte mir ein dahergelaufener deutscher Kindsvater
erzählen, wie ich mein italienisches Auto zu behandeln hatte. Als wüsste ich es
als Italienerin nicht besser! (Ich gebe zu: Im Ausland lebende Italiener neigen
nicht nur zur Sentimentalität, sondern hegen auch eine etwas unsachliche
Einstellung zu allem, was Italienisch ist).
Ich
unterbrach wider Willen die freundliche Diskussion mit Martin und öffnete die
Tür. Es wunderte mich nicht, dass Katrin als erste eingetroffen war, hatte sie
doch nur zwei Stockwerke zu laufen und besaß keinen Balg samt dazugehörendem
nörgelndem Mann, die ihr den letzten Nerv und wertvolle Lebenszeit raubten.
„Bist Du
noch beschäftigt?“, fragte mich Katrin und küsste mich auf beiden Wangen.
„Nö“, antwortete
ich cool und schleuderte mit einer solchen Wucht die Tür des Geschirrspülers
zu, dass die Gläser darin gefährlich klirrten. „Es sieht nur so aus. In
Wahrheit liege ich gerade am Strand auf Tobago und lasse mir von einem
reizenden Einheimischen Luft zufächeln“. Die Vorstellung gefiel mir, fast
konnte ich den weichen Sand unter meinem Allerwertesten spüren und das überaus
interessante Muskelspiel des netten jungen Mannes vor meinen Augen sehen. Das
nannte sich wohl Visualisierung, hatte ich in meinen Motivationsbüchern für die
Arbeit gelernt, und sie schien zu funktionieren. Mein dämliches Grinsen
verschwand allerdings sofort, als ich der funkelnden Augen von Martin gewahr
wurde. Immer musste er mir die Laune verderben. Noch nicht mal am Feierabend waren
mir ein bisschen Ablenkung und sexistische Gedanken vergönnt.
„Und noch
etwas“, sagte er jetzt.
Ich lauschte
gespannt.
„Sieh zu,
dass Du die Garderobe ausmistest, die ist voll bis obenhin mit Deinen
Klamotten. Neulich war meine Mutter zu Besuch und da war noch nicht mal Platz
für ihre Jacke!“, beendete nun Martin seine Schimpftirade.
„Dann soll
Deine Mutter einfach zu Hause bleiben, da hat sie genug Platz für ihre
Jacken!“, erwiderte ich boshaft und ungerecht, da meine Schwiegermutter
eigentlich eine sehr nette Person ist. Aber, wie man so schön sagt: Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt
und hier war Krieg angesagt. Außerdem wollte ich wie immer das letzte Wort
behalten.
„Du willst
wie immer das letzte Wort behalten. Ich gehe jetzt zum Sport, viel Spaß noch“,
sagte er und verschwand durch die Wohnungstür.
Katrin
schaute mich besorgt an, obwohl sie solche Szenen bereits kannte. Diskussionen
zwischen Martin und mir hatte sie zur Genüge mitbekommen. An manchen Tagen,
sagte sie, konnte sie uns sogar in ihrer eigenen Wohnung zwei Stockwerke höher
noch schreien hören. Schön war das alles nicht, vor allem wegen unserer
Tochter, auch wenn wir in ihrer Gegenwart halbwegs zivilisiert miteinander
umgingen. Mit einem vorsichtigen Blick in ihr Zimmer überzeugte ich mich, dass
Sara immer noch tief und fest schlief. Ein Glück, sie hatte nichts mitbekommen.
„Katrin,
willst Du
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