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Galgeninsel

Galgeninsel

Titel: Galgeninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Maria Soedher
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observiert hatte, war er hier entlang gefahren. Sein Fußmarsch heute brachte ihn bald wieder an die Stelle, wo er tags zuvor sein Auto abgestellt hatte.
    Der Fußweg knickte vor einem Gebäude südwärts ab, mitten hinein in einen übermannshohen Schilfbereich. An einem Samstag war es still und einsam hier draußen. Ein paar Radfahrer kamen entlang und ab und an zuckelte ein Auto vorbei. Die leichte Brise, die den Blättern der knorrigen Linden mühsam ein Wispern entlockten, brachten das Schilf hingegen zu einem beständigen, aufgeregten Gezische. Der Weg leitete Schielin direkt auf eine kahle Halbinsel. Erinnerungen tauchten auf. Es war Jahre her, dass er das letzte Mal an diesem Ort gewesen war. Er hieß – Galgeninsel. Die seitlich der breiten Kiesbank angrenzenden Schilfgebiete wurden durch Stahlzäune vor Zutritt geschützt. Die Galgeninsel sollte eigentlich schon viel weiter unter Wasser stehen. Für die Jahreszeit hatte der See jedoch viel zu wenig davon, weil der Winter zu wenig Schnee gebracht hatte.
    Er sah sich um. Ein Steinkreis sicherte eine Feuerstelle. Vor kurzem, vermutlich in einer der warmen Nächte der vergangenen Woche, hatte jemand hier Lagerfeuerromantik am Seeufer genossen. Ansonsten fand er wenig Interessantes: Kies, Schwemmholz, hier und da ein ganzer Wurzelstock, Plastikbecher- und Flaschen. Das war alles. Der Wind war hier draußen kräftiger und kühler. Schielin sah hinüber zur Insel. Die Seebrücke war gut zu erkennen, davor die wenigen ummauerten Quadratmeter der Insel Hoy, mit der fotogenen Trauerweide. Damals, in den warmen Sommernächten, hatte er sich keine Gedanken um den Begriff Galgeninsel gemacht. Der Name beschrieb eine Tatsache. Hier befand sich der Richtplatz der freien Reichsstadt Lindau. Es gab sogar eine Legende, die davon berichtete, dass ein Verurteilter die Hände auf den Rücken gebunden bekam und von hier hinüber zur Insel gelangen sollte. Und trotz des hohen Wasserstands soll er es geschafft haben, am Ostufer, dort, wo heute die Spielbank steht, anzukommen. Lebend anzukommen.
    Kandras hatte es nicht geschafft. Ihm war auch nicht die Chance gegeben worden, bei Bewusstsein um sein Leben zu kämpfen. Durchdringendes Knirschen vom Kiesweg her kündigte Fahrräder an. Ein Pärchen legte am geschichtsträchtigen Ort eine Pause ein. Ob sie wussten, an welchem Ort sie rasteten?
    Schielin machte Fotos und telefonierte anschließend mit der Dienststelle. Eine Streife, die gerade nicht mit Unfällen, betrunkenen Gästen oder in Streit geratenen Familien zu schaffen hatte, sollte ihn abholen und zurück zu seinem Auto bringen. Er packte Kamera und Handy ein und machte sich auf den Weg zurück zur Straße.
    Ein Mann kam ihm entgegen. Dunkler Anzug, darüber ein dünner Mantel. Edle Lederschuhe an den Füßen und ein Borsalino auf dem Kopf. Er hatte die Hände in den ausladenden Taschen des Mantels. Kurz bevor beide sich passierten, nahm er die Rechte heraus und deutete mit einer galanten Bewegung zur Hutkrempe einen Gruß an, wobei er unmerklich den Kopf neigte. Schielin freute sich über diese ungemein höfliche Geste des Fremden. Er grüßte lächelnd zurück, bereute jedoch nicht auch einen Hut zu tragen, um dies ebenbürtig erwidern zu können.
    Hatte ihn sein Ausflug weitergebracht?, dachte er kurze Zeit später, als er wieder im Auto saß. Er kam zu keinem Schluss. Genügend Sauerstoff hatte er jedenfalls getankt.
    Zunächst fuhr er die Friedrichshafener Straße entlang, bog in Richtung Schönau ab und von dort tuckerte er auf der Kellereistraße bis zum Taubenberg. Der Name des Weilers inmitten von Obstplantagen hatte im Notizbuch von Kandras viel Raum eingenommen. Der hatte nichts Unnützes notiert, das hatte Schielin festgestellt. Es muss also von Bedeutung gewesen sein. Kaum hatte er das Ortsschild erreicht, lagen die paar Häuser auch schon wieder hinter ihm. Was wollte Kandras hier? Baugebiete gab es nicht, dafür viele Wiesen, Spalierobst, kleine Wäldchen und Gärten. Einer dieser versteckt liegenden romantischen Flecken am See eben. Er gondelte gedankenverloren weiter. Der schmale Weideweg brachte ihn durch blühende sattgrüne Sommerwiesen. Er kannte jede Kurve, jeden Fleck hier und so war es nicht sonderlich gefährlich, dass er mit seinen Gedanken mehr bei Kandras als dem Wegverlauf war.
    Eigentlich hatte er darauf gehofft, eine Verbindung zwischen Kandras und der Gepax zu finden. Das wäre schon mal ein Fortschritt gewesen. Aber nichts dergleichen. Keine

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