Gekauftes Spiel
Quietschen, ein Kichern oder auch ein heller Wehschrei; denn die
elf Mädchen, die — fünf gegen fünf — auf ein Tor spielten und sich in den
Rollen Angriff oder Verteidigung abwechselten, schenkten sich nichts.
Wahnsinn!, dachte Tim. Gaby
dribbelt, als hätte sie den Ball an einer unsichtbaren Schnur. Und ihre
Flanken! Sieht zwar immer noch ein bisschen wie Ballett aus, aber sie schießt
genau. Bravo, Pfote! Hast dir was abgeguckt von unserem Freund, dem Tiroler
Panter. Eigentlich ein komischer Name für Mario Clausen.
Fünf der Mädchen trugen
schwarze Hosen und rote Trikots, fünf hatten blaue Hosen und gleichfarbige
Oberteile. Gaby war eine Blaue. Die Torhüterin wirkte angesichts der
sommerlichen Hitze übertrieben vermummt. Sonja Bleicher-Hochstetten spielte
auch Eishockey, und zwar im Tor. Vermutlich hatte sie einen Teil dieser
Ausrüstung zweckentfremdet.
O weh!, dachte Tim.
Eben hatte Gaby den Ball
geköpft. Er sprang in die falsche Richtung, einer Gegenspielerin vor die Füße
und die drosch ihn ins Netz.
»Hm!«, meinte Tim.
»Gaby sollte ihren Pony
kürzen«, sagte Karl. »Er hängt zu tief in die Augen. Beim Kopfball verliert sie
den Überblick.«
»Kopfball ist sowieso nicht
ihre Stärke«, erklärte Klößchen und ließ sich die Schokolade in den Mund
rutschen.
»Sie spielt fantastisch«, sagte
Tim. »Die Ponyfransen nimmt sie als Polster. Damit das Köpfen nicht wehtut.«
»Unsere Penne kann stolz sein
auf diese Mädchenmannschaft«, ließ Karl sich vernehmen.
Tim nickte. »In kurzer Zeit
diese Spielreife! Ich hätte ja nie geglaubt, dass Gaby mitmachen würde. Und
jetzt entpuppt sich dieses graziöse Talent. Sie ist wieselflink im Angriff und
klug in der Abwehr. Nur wenn sie gefoult wird, verliert sie die Linie.«
»Das unterscheidet
Frauenfußball von Frauenboxen«, sagte Klößchen. »Beim Boxen foulen sie ständig,
weil sie sich auf die niedlichen Gesichter hauen. Grässlich!«
»Und beim Fußball«, lachte
Karl, »gibt es blaue Flecken an den Beinen.«
»Gaby hat nur einen ganz
winzigen unten an der linken Wade«, sagte Tim. »Und den Fleck hat sie nicht vom
Kicken, sondern weil sie sich gestoßen hat in der Straßenbahn. Aha! Jetzt ist
Schluss.«
Der Schlusspfiff war ertönt.
Erik Salk, der junge Sportlehrer der Internatsschule, ließ sich diese
offizielle Geste nicht nehmen. Ein kurzer Zuruf oder ein Hände klatschen hätte
es auch getan. Aber Erik pfiff. Er hatte die Mädchenmannschaft gegründet. Er
trainierte sie. Er nahm seine Aufgabe ernst. Mit Hingabe verbesserte er das
Spiel der Mädchen.
Jetzt hatte er alle um sich
versammelt. Manöverkritik. Aber freundlich. Keine sollte die Lust verlieren.
Erik gestikulierte. Tim konnte nicht verstehen, was er sagte, aber es hatte
sicherlich Gewicht. Gaby nickte zweimal und pustete gegen ihren Pony. Doch die
Fransen blähten sich nicht, sondern klebten an der etwas verschwitzten Stirn.
Tatjana Fender, die schon 15
war und heute gespielt hatte wie mit zwei Holzbeinen, senkte den Kopf. Der
Trainer war nicht zufrieden mit ihr. Tatjana war ehrgeizig, verkrampfte deshalb
manchmal, spielte dann schlecht und hasste sich dafür. Es konnte vorkommen, dass
sie sich auf den Rasen warf, bäuchlings, und mit den Schuhspitzen Löcher
hineintrat. Erik zog sie dann an den Schultern in die Höhe und redete ihr zu
wie einem Baby.
Gaby kam zu den Jungs, flink
und aufrecht, fast hüpfte sie. Auf den letzten Metern mimte sie Verletzung und
begann zu humpeln wie ein umgenieteter Torjäger beim Bundesligaspiel.
»Wie war ich?«
»Ich hatte eben einen Anruf«,
sagte Tim, »vom AC Avanti. Der Clubpräsident sucht frische Talente. Sie wollen
dir einen Vertrag geben. Voraussetzung ist, dass du als junger Mann auftrittst.
Also die Haare auf Streichholzlänge, einen Schnurrbart ankleben und ein weites
Trikot tragen.«
Gaby lachte. »Danke, Häuptling.
Ich bin ja schon froh, wenn ich in unserer Mannschaft bleibe. Erik ist eben mit
Tatjana ziemlich streng gewesen. Sie hätte fast geheult. Kann sein, dass er sie
austauschen wird. Jedenfalls ist nicht sicher, dass sie bei unserem großen
Spiel nach den Sommerferien mitmachen darf.«
Tim hob eine Braue. »So
schlecht war sie nun auch wieder nicht. Wahrscheinlich ist sie seelisch total
auf der Müllhalde. Wegen ihrem Vater. Dieser Terror gegen ihn verängstigt die
ganze Familie. Das trifft nicht nur ins Herz, da wackeln auch die Knie und da
verwackelt der Schussfuß.«
Gaby nickte und strich ihren
Pony zur
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