Geschichte machen: Roman (German Edition)
getrunken als sonst und war auch nicht roher, ausfallender oder beleidigender geworden als sonst. Bei ihm war es stets derselbe absolut mechanische, beängstigend regelmäßige und zielstrebig ruhige Vorgang.
Wenn er ihr weh tat, unterdrückte sie jeden Laut, der Angela oder den kleinen Alois wecken konnte, denn sie konnte die Vorstellung nicht ertragen, daß sie erfuhren, was der Vater ihr antat. Klara war nicht sonderlich intelligent, aber sie war empfindlich und wußte genau, daß ihre Stiefkinder statt des Mitleids nur Verachtung für sie übrig hätten, sollten sie je erfahren, daß sie sich so gehorsam in die Prügel des Vaters schickte. Schließlich stand sie, so lächerlich das auch war, im Alter den Kindern näher als ihrem Mann. Wahrscheinlich war er deswegen auch so wild entschlossen, mit ihr Kinder zu zeugen. Er wollte, daß sie älter wurde, daß sie von einem einfältigen Mädchen vom Lande zur Mutter heranreifte. Sie sollte den Silagegeruch ablegen. Etwas Fett ansetzen, etwas Substanz und Ansehen gewinnen. O ja, Ansehen war sein ein und alles. Aber er war ja auch ein Bastard. Das war das einzige, was sie ihm voraus hatte. Sie war vielleicht ein einfältiges Mädchen vom Lande, aber sie wußte wenigstens,wer ihr Vater war. Onkel Alois der Bastard wußte nicht, wer sein Vater war. Aber auch sie wollte Kinder von ihm. Sie wünschte sie sich verzweifelt.
Vor drei Jahren war ihr Sohn Gustav nach nur einer Woche gestorben, und in dieser Woche hatte er mit blau angelaufenem Gesicht ununterbrochen gehustet. Im Jahr darauf hatte sie ein totes Mädchen zur Welt gebracht, und erst vor einem Jahr hatte ihr kleiner Josef, tapfer wie ein Kampfhahn, einen Monat lang gerungen, bevor auch er dahingerafft wurde. Danach begannen die Schläge. Onkel Bastard hatte eine Nilpferdpeitsche gekauft und mit schrecklichem Lächeln an die Wand gehängt.
»Das ist Pnina«, sagte er. »Pnina die Peitsche, unser neues Kind.«
Klara stand an der Tür und sah der uniformierten Gestalt nach, die kerzengerade die Hügelspitze erreichte. Nur Alois konnte einem so lächerlichen Gefährt wie dem Fahrrad Würde verleihen. Und wie er es liebte. Jede neue Entwicklung von Patentreifen, Pedalen und Ketten erregte ihn. Gestern hatte er dem kleinen Alois ganz ergriffen aus der Zeitung vorgelesen. In Mannheim hatte ein Ingenieur namens Benz ein dreirädriges Fahrzeug gebaut, das in einer Stunde ohne jedes menschliche Zutun fünfzehn Kilometer weit fuhr, ohne Pferde und ohne Dampf.
»Stell dir vor, mein Sohn! Wie ein kleiner Privatzug, der keine Gleise braucht! Eines Tages werden
wir
eine solche Maschine mit Selbstantrieb haben, und dann reisen wir zusammen wie die Fürsten nach Linz oder Wien.«
Klara kehrte ins Haus zurück und sah Anna zu, die Eier für die Kinder briet.
»Soll ich das nicht machen?« wollte sie erst sagen. Inzwischen konnte sie diesen Impuls jedoch unterdrücken, ging statt dessen mit aufkeimenden Schuldgefühlen zum leeren Eimer an der Hintertür und spürte mehr, als daß sie es sah, wie sich Anna beim Quietschen des Henkels zu ihr umdrehte.
»Soll
ich
das …«, setzte Anna an, aber Klara war schon aus dem Haus, und die Küchentür hatte sich geschlossen, noch bevor sie den etwas vorwurfsvollen Satz beendet hatte.
Mit leichter Belustigung stellte Klara fest, daß sie ihren Gang zum Brunnen wieder einmal so abgepaßt hatte, daß im selben Augenblick der Zug nach Innsbruck vorbeibrauste. Sie stellte sich vor, wie er durch Wiesen und an Gehöften vorbeischnaufte, und sah vor ihrem geistigen Auge ihre Neffen und Nichten in Spital auf und ab hüpfen und dem Lokomotivführer zuwinken. Sie pumpte den Schwengel schneller auf und ab, und das in den Eimer schießende Wasser fand zum Gleichtakt mit der mächtigen Dampflokomotive, die ihre kaiserlichen weißen Schnurrbärte hoch in den Himmel stieß.
Dann kam der Gestank. O Gott, welch ein
Gestank
.
Klara hielt sich die Hand vor Mund und Nase, aber vergebens. Erbrochenes tropfte ihr durch die Finger, als ihr Körper den Gestank, diese entsetzliche Luftverpestung mit Gewalt loswerden wollte. Tod und Verwesung erfüllten die Luft.
Seinen Weg machen
Parks
Es war dumm gewesen, keine Socken anzuziehen. Als ich an der Mill vorbeikam, hatte ich schon schmerzende Käsemauken. Und ich schwitzte am ganzen Körper.
Als ich lustlos über die Brücke an der Silver Street strampelte, laberten sich überall die fröhlichen Studienanfänger voll, hüpften zwischen den Autos über die
Weitere Kostenlose Bücher