Ghosts 01 - Ghosthunter
ab.
„Aha. Ich darf nicht gegen die Tür treten, aber du machst hier einen auf Abrisskommando.“
„Halt die Klappe und leuchte mal.“
Bpm hockte sich neben Ian und ließ den Schein seiner Taschenlampe über die Wand gleiten. Der Kleister war über die Jahre bröselig geworden und rieselte wie Sand zu Boden, als Ian an der Tapete zog. Erfreut bemerkte er, dass sich die Bahn leicht von der Wand lösen ließ.
„Da ist wirklich was“, raunte Bpm, aber seine Stimme wurde vom Donnergrollen geschluckt.
Ian konnte Filzerstriche erkennen. Sein Vater hatte etwas mit schwarzen und roten Stiften gemalt, vermutlich mit Boardmarkern, mit denen man normalerweise auf Tafeln schrieb. „Lass es uns freilegen“, sagte er.
Ohne zu zögern, schob Ian die Stühle beiseite und riss das nächste Stück ab.
25
„Oh, verdammt!“, entfuhr es ihr, als sie das Tier noch einmal mit dem Rohr stieß.
Chiyo hatte eine Weile gebraucht, um Mut zu fassen und sich dem reglosen Käfer zu nähern. Nun lag er kopfüber auf seinem Panzer und streckte die Beine in die Luft. Sie trat noch einen Schritt auf das Tier zu.
Es war kein Monsterkäfer. Es war nur ein verrosteter Helm, an dem Kabel und ein langes Polster als Nackenschutz angebracht waren.
Chiyo zog am Strahler, um noch ein paar Meter Kabel zu gewinnen und die Lampe abstellen zu können. Der Helm wog überraschend viel, denn er war aus Eisen gefertigt. Schon auf den ersten Blick erinnerte er Chiyo an die Stahlhelme, die im Stadtteil Harajuku angeboten wurden, wo sie ihre Klamotten kaufte oder klaute. Gewöhnlich interessierten sich Gamefreaks oder Cosplayer für die Helme, die angeblich noch aus dem Zweiten Weltkrieg stammten.
Sie hatte den Helm weder entworfen noch auf der Straße gefunden, so viel stand fest. Neugierig betrachtete sie ihn. Seine Oberfläche war geriffelt, um noch stabiler zu sein. Unter ihren Fingern fühlte sich der Helm stumpf an. Einige Kabel führten vom Scheitel in das Nackenstück, das Chiyo an die traditionellen Helme der Samurais erinnerte. Die alten Helme mit ihren Geweihen hatten im Nacken einen Shikoro , ein Metallgerippe, das den Samurai vor Schlägen von hinten schützen sollte.
Chiyo drehte den Helm und stellte fest, dass der Shikoro nicht aus schlichten Lamellen, sondern aus Eisenringen bestand, die so ineinander vernietet waren, dass sie sich wie der Körper einer Raupe dehnen und stauchen ließen. Mit dem leichten Nackenschutz eines modernen Feuerwehrhelms hatte er nichts gemein, denn unter den Eisenringen kamen noch mehrere Buchsen für Stecker zum Vorschein, die durch altes, poröses Gummi geschützt waren. Bei genauerem Hinsehen erkannte sie, dass die Kabel mit einem Gewebe aus Stoff ummantelt waren und nicht wie heute aus PVC. Der Shikoro war dicker als Chiyos Hand und sah durch die Ringe und das Gummi wie verbranntes schwarzes Fleisch aus.
Obwohl Chiyo den Helm noch nie gesehen hatte, ahnte sie, dass er nicht vollständig war. Sie hatte gleich entdeckt, dass die Kabel, die sie für Spinnenbeine gehalten hatte, nicht in die Buchsen passten. Sie blies den Staub und ein paar Spinnweben weg, dann setzte sie sich den Helm auf.
Sein Gewicht war enorm und Chiyo musste unwillkürlich an Darth Vaders schwarzen Helm denken, während sie versuchte, sich mit ihm zu bewegen. Über dem Ohr ertastete sie eine Lederlasche, die sich herausziehen ließ und mit der man den Helm unter dem Kinn festzurren konnte. Das Leder war glatt und trotz der Jahre speckig, so als sei es unzählige Male gebraucht worden.
Nun hatte sie beide Hände frei, um die Holzkiste zu begutachten, in der ihr Käfer gelegen hatte.
Die Kiste war vor Jahren mit einer dunklen Plane abgedeckt worden, doch Ratten oder Mäuse hatten sie angeknabbert und sich an einigen Stellen sogar durch das Holz genagt. Chiyo hob einen Schnipsel Silberfolie auf. Ratlos betrachtete sie den Fetzen, bis sie erstaunt erkannte, dass ein Adler aufgedruckt war, der einen Anker in seinen Krallen hielt. Sie fuhr mit dem Finger über die Folie, in der Worte eingestanzt waren: Department of the Navy. Das Wappen der Kriegsmarine der USA.
Was immer die Navy in das Silberpapier eingeschweißt hatte – es war längst in den Mägen der Ratten gelandet.
Das morsche Holz zerfiel in ihrer Hand zu Sägespänen. Wahrscheinlich waren es Feldrationen gewesen. Wie lange die Kiste hier wohl schon gelegen hat, überlegte Chiyo. Sie war damals vielleicht acht oder neun gewesen, als sie ihre erste Maschine gebaut und den
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