Ghosts 01 - Ghosthunter
ersten Stock gestürmt war.
Ein Blitz ließ das Treppenhaus aufleuchten. Was zum Teufel hatte er vor? Ian wusste nicht, was er tun sollte. Hinterherlaufen? Kaum war der Mann im ersten Stock verschwunden, hörte er oben eine Tür ins Schloss fallen. Wenig später streckte Bpm seinen Kopf zwischen den Streben des Treppengeländers hindurch und grinste.
„Sie wünschen eine Hausbegehung, Mylord?“ Er warf Ian einen Schlüssel zu und säuselte: „Lediglich jenes Zimmer ist heute ein wenig indisponiert für die Inaugenscheinnahme, befürchte ich.“
„Du bist völlig irre.“ Kopfschüttelnd lief Ian die Treppe hinauf. Schon auf halber Strecke konnte er den Gärtner an der Tür rütteln und zwischen dem Donnergrollen brüllen hören. „Und was ist, wenn er durchs Fenster klettert oder die Bullen ruft?“
„Der soll ein Handy haben? Glaub ich nicht“, erwiderte Bpm.
Ian drückte sich an einem Malergerüst vorbei. Der Flur war teilweise mit Folie ausgelegt. Eine dicke Schicht Baustaub knirschte unter seinen Füßen. Kabel lagen am Boden verstreut, Kisten mit Steckdosen und Pinseln standen im Weg. Ian kam es vor, als wäre die Villa selbst ein Patient der Arztpraxis. Die freigelegten Elektroleitungen zogen sich den Flur entlang wie Nervenstränge durch einen Körper und die tiefen Furchen in den Wänden sahen aus wie Narben.
„Und wenn doch?“
„Wir müssen uns eben beeilen“, lautete Bpms Antwort. „Was suchst du?“
Ian zückte das Foto mit den Formeln an der Wand und hielt es Bpm hin. „Das Arbeitszimmer“, entgegnete er knapp.
23
Obwohl Nikuman zu ihren Lieblingsspeisen zählte, hatte Chiyo nur einen einzigen Kloß herunterbekommen. Zu sehr quälte sie der Gedanke an den Sicherheitsmann. Und zu allem Überfluss nervte sie auch noch Nachbar Kishii, der sie abfällig musterte, während er seine Nikuman mit viel Sojasoße schmatzend vertilgte.
Kishii war der Meinung, Chiyo läge ihrer Großmutter nur auf der Tasche und hätte mit ihren neunzehn Jahren längst einen anständigen Beruf erlernen sollen. Er machte keinen Hehl daraus, dass er Chiyo für eine Schmarotzerin hielt, die ihre Großmutter nur ausnutze.
Als Kishii sich seinen fünften Nikuman in die Soße gestippt und rülpsend verschlungen hatte, sprang Chiyo mit einer Entschuldigung auf. Nicht ohne sich artig zu verbeugen, floh sie aus dem Wohnzimmer.
Während sie den Abwasch für ihre Großmutter erledigte, sah sie durch die halboffene Schiebetür, wie Kishii auf ihre Großmutter einredete. Die Sojasoße lief ihm übers Kinn und er bemerkte es erst, als Sobo ihm zärtlich die rostrote Flüssigkeit mit ihrem Schürzenzipfel abtupfte. Widerlich. Seit Jahren versuchte Kishii, Chiyo aus dem Haus zu treiben und mit Sobo anzubändeln. Chiyo verstand nicht, was ihre Großmutter an dem geschwätzigen Nachbarn fand.
Da sie das Geturtel der beiden Alten nicht länger ertrug flüchtete sie in den Garten. In solchen Momenten wünschte sie sich eine normale Familie. Obwohl es nicht ihre Art war, in Sentimentalität zu versinken, sehnte sie sich an solchen Abenden ihre Eltern herbei, die sie nie wirklich kennengelernt hatte. Sie waren kurz unter dem Gipfel des Aconcagua verunglückt. Chiyo hatte den Berg in Südamerika nie gesehen, aber sie konnte seinen Namen bereits mit elf Monaten aussprechen. Es war das erste Wort, was sie nach o-kaa-san und o-tou-san, nach Mama und Papa, gelernt hatte.
A-con-ca-gu-a. Das erste Wort nach ihrem Tod.
Grübelnd betrachtete Chiyo die vertrockneten Rosenbüsche und den gelben, staubigen Rasen. Sie musste auf andere Gedanken kommen und was gab es Besseres, als ein wenig an Gexx herumzuschrauben? Vielleicht konnte sie sich sogar selbst eine Hydraulikpumpe basteln.
Sie klappte die steile Leiter zum Heuboden des ehemaligen Hühnerstalls herunter. Flink erklomm sie die neun Sprossen und ließ den Strahl ihrer Taschenlampe über die nackten Holzbretter, den Krimskrams und die Spinnweben in den Ecken gleiten.
Sie ließ sich gern von dem Chaos aus kaputten Radios und Fernsehern, Fahrradskeletten und geklauten Elektronikteilen auf neue Ideen bringen. Alles, was sie für ihre Bastelei erst einmal nicht brauchte, landete hier oben auf dem Boden des Hühnerstalls.
Während der Staub und die Fliegen sie in der Nase kitzelten, starrten sie im Licht ihrer Taschenlampe drei ihrer alten Freunde an. Ein zwei Meter hoher Putzroboter, der leider die Treppe zum Keller hinabgestürzt war, ein buckliger – noch teils aus Holz gebauter
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