Gute Beziehungen
unsere Macht-Erinnerungsübung (power recall exercise) vorschlagen, die die Kursleiter unserer Organisation in Hunderten von Veranstaltungen mit Tausenden von Teilnehmern erfolgreich durchgeführt haben. Nehmen Sie ein Blatt Papier und zeichnen Sie vier senkrechte Spalten ein. Über die linke Spalte schreiben Sie: Was ich tun musste. Über die nächste Spalte: Wer hat mich dazu gezwungen? Über der dritten Spalte notieren Sie: Was ich getan habe (z. B. nachgegeben) und die vierte Spalte schließlich bekommt die Überschrift Wie ich mich gefühlt habe und was ich dann getan habe.
Denken Sie jetzt an irgendein Ereignis aus Ihrer Grundschulzeit, bei dem Sie von jemandem gezwungen wurden, etwas gegen Ihren Willen zu tun. Wer war es? Was haben Sie getan? Wie haben Sie sich gefühlt und was haben Sie anschließend getan?
Wenden Sie diese Erinnerungsübung anschließend auf einen späteren Zeitpunkt an, als Sie älter waren und vielleicht auf eine weiterführende Schule gingen. Und nun noch ein drittes Mal – auf die jüngste Zeit.
Meist entdeckt man, dass Machtausübung die Art des Problems verändert. In einem unserer Seminare erinnerte sich ein Highschool-Direktor aus Florida daran, dass er in der fünften Klasse aus dem Raum geschickt worden war, weil er während einer »Stillarbeit« ein Papierflugzeug durch das Klassenzimmer fliegen ließ. Er war beschämt und wütend und schlich sich deshalb auf den Parkplatz, wo er einem Lehrer die Luft aus den Autoreifen ließ. Indiesem Fall hatte sich das Problem von der Störung des Unterrichts zum Vandalismus verlagert.
Traf das auch auf Sie zu? Was für Bewältigungsstrategien hatten Sie? Die vielen Tausend Menschen, die diese Übung gemacht haben, stellten nahezu identische Listen auf. Schauen Sie, ob sich Ihre Strategien irgendwo auf der Liste finden.
Auflehnung, Ungehorsam
Vergeltung, zurückschlagen, streiten
lügen, die Wahrheit verheimlichen
Ärger, Wutanfälle
Regelverstöße
die Schuld auf andere schieben, tratschen
kommandieren, aufbegehren
Bündnisse schließen, koalieren
um Nachsicht und Anerkennung bitten, schmeicheln
sich zurückziehen, fantasieren
weglaufen, Aufträge verweigern, Stellungen kündigen
aufgeben, kapitulieren
ignorieren, mit Schweigen strafen
konkurrieren, gewinnen müssen
Hoffnungslosigkeit, Niedergeschlagenheit, weinen
Furcht, Scheu, Schüchternheit
Krankheit
Fressattacken, dann Abführen oder Abnehmen
Unterwerfung, Anpassung, Nachgeben
Alkohol, Drogen
betrügen, plagiieren.
Die Reaktion auf Machtausübung mit Zwangscharakter beruht eigentlich immer auf einem dieser Bewältigungsmechanismen. Diese Punkte sprechen gegen die Ausübung einer solchen Autorität, da sie sowohl die Opfer wie die Träger der Macht korrumpiert. Oder mit den Worten des englischen Historikers Lord John Acton: »Machtkorrumpiert, und absolute Macht korrumpiert absolut«. Auch wenn Sie sich für nicht korrumpierbar halten – alle Manager, Eltern, Vorgesetzte, Vorarbeiter und Direktoren werden Ihnen bestätigen, wie viel Energie sie in »Führung« von Menschen investieren müssen, besonders wenn die Menschen nicht geführt werden wollen.
Es gibt viel bessere Strategien, Menschen dazu zu bringen, das zu tun, was wir von ihnen erwarten. Darauf werde ich noch ausführlich zurückkommen. Im folgenden Kapitel möchte ich über einige Erkenntnisse und Forschungsergebnisse zu jenen Beziehungsproblemen berichten, die in unserer Gesellschaft für viel Leid verantwortlich sind.
2. KAPITEL
Beziehungsprobleme
Erst als ich mit den Vorbereitungen zu diesem Buch beschäftigt war, wurde mir klar, wie wenig ich über die Häufigkeit und Schwere von Beziehungsproblemen wusste. Die auffälligsten, etwa die von Prominenten, waren mir natürlich bekannt, es lässt sich ja beim besten Willen nicht vermeiden, sie in den Abendnachrichten oder in der Morgenzeitung zur Kenntnis zu nehmen. Doch als ich mich in die Forschungsberichte, wissenschaftlichen Zeitschriften und Bücher vertiefte, stellte ich zu meiner Verblüffung fest, dass die Situation viel schlimmer war, als ich vermutet hatte – nur dass sie oft zu alltäglich, nicht sensationell genug für die Abendnachrichten war.
Die »Probleme«, von denen ich spreche, kommen dann ins Spiel, wenn Menschen interagieren – was wir alle tun. Zu den gesicherten Erkenntnissen der Sozialwissenschaften gehört der Umstand, dass wir fundamental soziale Wesen sind. Wir leben, spielen und arbeiten mit anderen, wir definieren uns über die
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