Guten Abend, Gute Nacht
legte seine Füße auf den herausziehbaren Teil des alten Metallschreibtisches.
»Was kann ich für Sie tun?« sagte er. Sein graugefleckter Bart hüpfte über dem Adamsapfel auf und ab. Er trug ein weißes Button-down-Hemd und eine konservative Krawatte, doch der Kragen stand offen, die Krawatte war gelockert und die Ärmel hochgekrempelt.
»Ich arbeite für Willa Daniels. Soweit ich weiß, vertreten Sie ihren Sohn William.«
»Und?«
»Und ich würde mich gern mit Ihnen über den Fall unterhalten.«
Rothenberg runzelte die Stirn, tippte mit einem Stift auf eine Akte, die auf der Schreibtischunterlage lag. »Können Sie sich ausweisen?«
Ich zeigte ihm meinen Ausweis. Er studierte ihn, machte sich ein paar Notizen und gab ihn zurück.
»Haben Sie irgendwelche Referenzen, die ich überprüfen kann?«
»Sicher«, sagte ich, »aber warum?«
Er nahm eine Telefonnotiz in die Hand. »Das hier hat auf mich gewartet, als ich heute morgen reingekommen bin. Von Mrs. Daniels. Sie ist nicht dumm, aber das hier klingt mir doch ganz so, als hätte es jemand für sie geschrieben.«
»Das war ich. Gestern abend, damit ich heute mit Ihnen sprechen konnte.« Ich rutschte auf meinem Stuhl hin und her. »Was stimmt denn nicht?«
»Als ich mit Mrs. Daniels gesprochen habe, hatte ich nicht den Eindruck, daß sie genug Geld besitzt, um sich zwei Profis für William leisten zu können.«
Rothenberg machte sich entweder darüber Gedanken, ein höheres Honorar zu verlangen, oder er argwöhnte, daß ich möglicherweise einen Angehörigen in einer schwierigen Situation bluten ließ. Ich legte es mal zu seinen Gunsten aus. »Falls es Ihnen hilft: Ich tue einem Freund einen Gefallen.«
»Das mache ich auf gewisse Weise auch.«
»Ich verstehe nicht.«
»Ich habe William vertreten, als er noch ein Jugendlicher war und ich bei den Mass Defenders gearbeitet habe. Sie wissen, wie uns damals die Fälle zugewiesen wurden?«
»Nein, nicht genau.«
»Also, die Kurzfassung ist, daß wir von manchen Richtern ziemlich regelmäßig zugeteilt wurden, von anderen nicht so oft. Eine Frage der... Einstellung.«
»Sie meinen, daß manche Richter ihre Günstlinge von solchen Fällen verschont haben, bei denen das Gericht die Honorarsätze festgesetzt hatte?«
»Ziehen Sie Ihre eigenen Schlußfolgerungen. Es geht aber darum, daß praktisch jeder, jeder strafrechtlich Angeklagte, irgendwie das Geld für einen eigenen Anwalt zusammenkriegen kann.«
»Und?«
»Und in Williams Fall war es damals so, daß der Richter bei der Anklageerhebung uns nicht mochte, und William war so etwas wie ein Grenzfall, was seine Bedürftigkeit betraf, wegen des Jobs seiner Mutter und allem. Aber ich glaubte, etwas in ihm zu sehen, etwas, das es wert war, dafür zu kämpfen. Also haben wir, das heißt ich, vor Gericht voll auf den Putz gehauen, und der Richter hat mich ihm zähneknirschend zugewiesen.«
»Und?«
»Und ich habe dafür gesorgt, daß die kleine Scheiße, in die er getreten hatte, nicht zu einer großen Scheiße wurde, und dann ist er aufs College gegangen, und dann...« Rothenberg sprach nicht weiter, atmete geräuschvoll aus.
»Und dann zieht Ihr Resozialisierungsprojekt los und macht all Ihre Mühen zunichte, indem er ein Mädchen umbringt.« Rothenberg biß die Zähne zusammen, entspannte sich dann. »So kann man es auch ausdrücken.«
»Und wieso helfen Sie ihm dann jetzt?«
»Teils wegen des Geldes, aber hauptsächlich... nun ja, als seine Mutter sich mit mir in Verbindung setzte, da schien der Fall interessanter zu sein als jetzt. Rein rechtlich gesehen, meine ich.«
»Wie das?«
Er schwieg einen Augenblick, spielte mit der Akte vor sich. »Mein Klient ist William, nicht seine Mutter.«
»Das bedeutet was?«
»Da Ihr Klient die Mutter ist und nicht der Sohn, bin ich nicht ganz sicher, ob ich mit Ihnen über seinen Fall sprechen kann.«
»Über wen haben wir denn die ganze Zeit geredet — über Jimmy Hoffa?«
»Nein, ich meine den Fall an sich. Die faktischen und rechtlichen Argumentationslinien, das Ergebnis meiner Arbeit, meiner Besprechungen mit ihm, und so weiter.«
Ich erinnerte mich an mein einjähriges Jurastudium. »Könnte ich nicht als Ihr Beauftragter fungieren, selbst wenn einer von uns kostenlos arbeitet?«
Er lächelte. »Nicht schlecht. Aber die Mutter hat Sie engagiert, auch wenn dabei keine Bezahlung im Spiel ist. Und das bedeutet, nicht ich habe es getan, und daher kann ich mir nicht vorstellen, daß ein Gericht Ihnen
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