Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hai Fisch Futter

Hai Fisch Futter

Titel: Hai Fisch Futter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Geason
Vom Netzwerk:
alter Knochen in Kings Cross und Darlinghurst, die nicht kochen konnten oder wollten und gut genug bei Kasse und zu Fuß waren, um alle ihre Mahlzeiten in Freßlokalen einzunehmen. Die übrigen waren wohl oder übel auf Suppenküchen oder »Essen auf Rädern« angewiesen.
    Selwyn gehörte ebenso zum Inventar des Akropolis wie die roten Plastikrosen in den Vasen an der Wand. Ein häßliches, verwachsenes Männchen, hatte er sich in seiner Jugend als Jockey verdingt, wobei jedoch bei einem schweren Sturz neben seinem Becken und seinen beiden Beinen auch alle seine Träume von Ruhm und Ehre zu Bruch gegangen waren. Jetzt besorgte er an ein paar Tagen die Woche für irgendeinen Pferdemenschen in Randwick die Stallarbeit und langweilte die Stammgäste des Akropolis mit seinen Erzählungen von früheren Glanztaten zu Tode. Selwyn war zwar ein fürchterlicher Schwätzer, aber absolut harmlos. Die meisten Leute nickten einfach nur und mampften, ganz auf ihre eigenen Probleme konzentriert.
    »Wieso, was ist denn mit Selwyn?«
    »Ich weiß es nicht. Deshalb mach ich mir ja Sorgen. Er war seit einer Woche nicht mehr hier.«
    »Vielleicht macht er irgendwo Urlaub«, sagte ich.
    Val wollte das nicht in den Kopf. »Selwyn ist in der ganzen Zeit, in der er nun schon bei mir ein und aus geht, noch nie in Urlaub gefahren. Ich habe ihn mal darauf angesprochen, und er meinte, ihm würde einfach kein Reiseziel einfallen.«
    Obwohl wir das beide ziemlich lustig fanden, schwor ich mir insgeheim, Urlaub zu machen, ehe wieder ein Jahr verstrich. Vals Stimme holte mich aus einem Tagtraum von einer Tauchtour am Barrier Reef zurück.
    »Das ist nicht komisch, Syd. Irgend etwas stimmt da nicht. Der alte Mistkerl hat hier in den letzten zwölf Jahren kein einziges Abendessen versäumt.«
    In einer jähen Vorblende auf das Jahr 2003 sah ich zu meinem Entsetzen mich selbst, wie ich, fetter und grauer, noch immer im Akropolis saß. Die Einrichtung war dieselbe, und ich erkannte einen Großteil der Gäste, doch die Preise hatten sich um das Vierfache erhöht. Es lief mir eiskalt den Rücken hinunter. Val hatte recht: Wenn Selwyn nicht im Akropolis aß, aß er wahrscheinlich überhaupt nicht, und das hieß vielleicht, daß er irgendwo gelähmt oder tot auf dem Boden lag. Da ich keinen eiligen Auftrag hatte, gab es vor der Erfüllung meiner Bürgerpflicht kein Entrinnen.
    »Wenn dir daran gelegen ist, schaue ich mal bei ihm vorbei, Val. Wo wohnt er denn eigentlich?«
    »Das weiß ich auch nicht genau, Schätzchen. In einer Pension oder so, irgendwo hier in der Gegend.«
    Während sie mir herausgab, versuchte Val zu erklären: »Sie tun mir eben einfach leid.«
    Sie meinte alle die hilflosen alten Ausgestoßenen, die sie zwanghaft bemutterte. Ich sagte, es sei mir das reinste Vergnügen, und ging, wobei ich auf einem Zahnstocher und dem dummen Verdacht herumkaute, daß ich ebenfalls einer von Vals flügellahmen Schützlingen war. Oder bald sein würde, wenn nicht die gute Fee dahergerauscht kam und mir den Weg in ein besseres Leben wies.

    An diesem Nachmittag klapperte ich in Kings Cross und Darlinghurst Dutzende deprimierender Fremdenwohnheime ab. Verschwitzt und gelangweilt flüchtete ich schließlich in ein Pub. Da der Barkeeper an einem Kofferradio klebte, in dem die Liveübertragung von der Pferderennbahn lief, vermutete ich, daß er Selwyn womöglich kannte. Das tat er auch, hatte ihn aber seit mehreren Wochen nicht gesehen und auch keine Ahnung, wo er zu finden war.
    Ein alter Mann am Ende des Tresens, der brummig ein Bier gesüppelt, ferngesehen und eine luftverpestende Selbstgedrehte nach der anderen gepafft hatte, schaltete sich mit Selwyns Anschrift ein. Jeden weiteren Vorwands beraubt, mich noch länger zu drücken, spendierte ich dem alten Knaben ein Glas Bundy-Rum und ein Bier zum Runterspülen — seine Wahl — und zog wieder los.
    Ich hatte die Adresse in der Liverpool Street rasch gefunden. Die Tür wurde von zwei geschwätzigen Pennern bewacht, die sich auf den Vorderstufen fläzten und mich beim Hineingehen um fünfzig Cent für eine Tasse Kaffee anschnorrten. Ich ließ mich erweichen. Ich weiß, wie es ist, wenn man dringend etwas Trinkbares braucht.
    Das Saratoga war eine selten schäbige Absteige; der kotzfarbene Läufer auf den Treppen war völlig abgetreten, und in den Gängen stank es nach Verzweiflung und Urin. Ich klopfte an eine Tür, und nachdem sie mich von dahinter ausgehorcht hatte, öffnete eine argwöhnische alte

Weitere Kostenlose Bücher