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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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unterschiedene Pfeile, so daß es leicht war, den Jäger daran zu erkennen. Die Antilopen, die mit dem ersten gemeinsamen Abschuß erlegt worden waren, ohne daß sie vorher die Gefahr ahnten, lagen nahe beieinander. Hier hatte jeder Jäger in Ruhe zielen können, und jeder hatte ein Tier mit dem ersten Schuß tödlich getroffen. Aber auf der Verfolgungsjagd, die dann einsetzte, zeigte sich der verschiedene Grad des Jagdgeschicks und der Schnelligkeit der Füße oder des Pferdes. Mattotaupa war es gelungen, noch drei Tiere abzuschießen, alle mit dem sofort tödlich wirkenden Treffer, und das war der größte Erfolg eines einzelnen an diesem Tage. Als die Gruppe sich der Antilope näherte, auf die Harka und Tschetan mit zwei anderen Burschen zugleich angelegt hatten, bemächtigte sich des Knaben eine so große Spannung, daß er kaum hinzublicken wagte. Schließlich schalt er sich selbst und schaute genau prüfend auf das erlegte Tier, bei dem die Gruppe jetzt haltmachte. Vier Pfeile steckten in seinem Körper; einer im Schenkel – das war nicht Harkas Pfeil – einer im Rücken – nein – das war auch nicht Harkas Pfeil – der dritte und der vierte hatten den Hals des Tieres getroffen und die Gurgel durchbohrt. Das waren Harkas und Tschetans Pfeile!
    Die Freude leuchtete aus Harkas Gesicht. Tschetan lächelte ebenfalls und zog beide Pfeile heraus. Jagdpfeile hatten keine Widerhaken. Tschetan gab Harka dessen Pfeil zurück und sagte: »Mein junger Bruder hat gut getroffen. Ich lasse ihm das Fell und die Hörner dieses Tieres. Unsere Pfeile sind zusammen geflogen wie Brüder. Jetzt bin ich der Anführer des Bundes der Roten Feder. Sobald ich aber ein Krieger und Roter Hirsch sein werde, wird Harka Steinhart Nachtauge Wolfstöter den Bund der Roten Feder anführen. Ich habe gesprochen, hau!«
    Mattotaupa stimmte zu, stolz auf seinen Sohn.
    Als nach geraumer Zeit festgestellt war, wer jedes einzelne Tier erlegt hatte, übernahmen es die Männer, Burschen und die größeren Jungen, die Tiere abzuhäuten und sachgerecht zu zerteilen. Die Frauen nahmen die Tiere aus, warfen die Gedärme den gierig schlingenden Hunden hin, verpackten Rücken und Schenkel und brachten die Innereien – Hirn, Leber, Lunge, Herz, Magen – zum Lagerplatz. Dort glimmten schon Feuer, sorgfältig abgedeckt durch ausgespannte Büffeldecken, die das Aufsteigen von Rauch und Geruch hinderten. Harka konnte bald den für jeden Hungrigen paradiesisch erscheinenden Geruch röstender Leber und bratenden Hirns in die Nase ziehen. Es dauerte nicht mehr lange, da hielt er inmitten der Frühlingswiesen am klaren Bach mit den Geschwistern zusammen nach Wochen und Monaten die erste Mahlzeit, bei der sich jeder nach Herzenslust an Leckerbissen satt essen konnte.
    Alle dachten dabei das gleiche: Die Unglückstage haben geendet, das Glück hat begonnen, der große Zauber wirkt. Hawandschita kennt die Geheimnisse.
    Gestärkt und fröhlich begaben sich Männer, Frauen und Kinder am Abend in die Zelte, um einen tiefen Schlaf zu tun.
    Schwarzhaut Kraushaar! dachte Harka, als er die Augen schloß. Vielleicht wird alles gut enden, und ich werde auch dich, Fremdling, eines Tages unversehrt wiedersehen.
    Die folgenden Wandertage waren nach indianischen Begriffen nicht sehr anstrengend. Es wurden vom Morgen bis zum Abend je etwa fünfzig Kilometer zurückgelegt. Der Fluß war in diesen Gegenden seicht, nachdem das Hochwasser aus der Schneeschmelze abgeflossen war, und die Bärenbande konnte ohne Mühe wieder auf das Südufer ziehen, sobald der Rat der Männer es beschlossen hatte.
    Es ging weiter südwestwärts, und eines Morgens tat sich vor den Wandernden die Landschaft auf, die das Ziel des langen Zuges sein sollte, die Wiesen und das Gehölz, die in einer der vielen Windungen des Pferdebachs lagen. Dieser Platz schien wie geschaffen für ein Sommerlager. Das Bachbett wurde zwischen sanften Bodenwellen etwas zusammengedrängt und zeigte alle Anzeichen dafür, daß der Bach hier auch in heißen Monaten Wasser führte. Von dem nach Norden ausbiegenden Wasserlauf halb umschlossen, hatten sich Sträucher und selbst einige Gruppen schlanker Bäumchen angesiedelt, und inmitten des Wäldchens war eine Wiese frei geblieben, groß genug, um für die Zelte Raum zu geben, die durch das Gehölz vor den Stürmen und den Blicken der Feinde geschützt wurden. Alle erkannten sogleich die Vorteile des Platzes, und mit fröhlichem Lärm wurde die Waldwiese bezogen. Im Nu waren die

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