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Harka der Sohn des Haeuptlings

Harka der Sohn des Haeuptlings

Titel: Harka der Sohn des Haeuptlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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er sich der Führung des erfahrenen Büffelpferdes, auf dem er saß.
    Er hörte nicht mehr das Geschrei der Jungen Hunde, er dachte nichts, fühlte nichts mehr als Galopp unter sich und Staub und Büffel, Büffel, Büffel um sich! Er wußte nicht mehr, in welche Richtung es ging; er hatte nicht die Erfahrung, um wahrzunehmen, wie klug und geschickt sein Tier sich verhielt, das immer nahe an irgendeinem Büffel vorbeizog, um seinem Reiter Gelegenheit zu einem Schuß zu geben. Aber Harka dachte noch gar nicht an Schießen, obgleich er den Bogen vorsorglich zur Hand genommen hatte. Er war nur froh, auf dem Pferd zu bleiben, denn wenn er jetzt stürzte, dann war er verloren und würde zu einem blutigen Fleischhaufen zertrampelt werden. Das Dröhnen der Hufe, das Brüllen der Jäger und sein eigenes Geschrei brausten ihm verwirrend in den Ohren.
    Es dauerte geraume Zeit, bis er überhaupt wieder dazu kam, einen Gedanken zu fassen. Der Staub schien lichter zu werden. Harka erinnerte sich auf einmal, daß er eine Jagdwaffe besaß, und da sein Tier jetzt freier zu laufen schien und nicht von überall her braune Rücken bedrohlich drängten, nahm er den Bogen zur Hand, legte den Pfeil ein und spannte die Sehne. Da – ein braunwolliges Tier in der Nähe – Harka schnellte den Pfeil ab! Er faßte den nächsten und legte wieder an – der Staub war doch noch recht undurchsichtig, und die Augen waren dem Jungen verklebt. – Er schoß abermals, und das Pferd trug ihn weiter und weiter, ohne daß er es lenkte – und er schoß und schoß – es war wie eine Tollwut über ihn gekommen, daß er schießen mußte – noch einen Pfeil und noch einen Pfeil – und er brüllte sich heiser, bis ihm der Staub die Stimme erstickte – und er galoppierte und galoppierte … und schoß … bis der letzte Pfeil verschossen und der Köcher leer war. Das Pferd fiel in einen leichten Galopp …
    Plötzlich war es licht um Harka. Die Staubwolke wälzte sich nordwärts. Um Harka aber war es licht geworden, der Himmel wölbte sich blau, die Sonne schien. Sie schien auf ein zertrampeltes, aufgewühltes, staubbedecktes Land, auf einen Mustang mit geifertriefendem Maul, dessen Lenden bebten, dessen verschwitztes Fell eine einzige Staubkruste war. Sie schien auf einen Knaben, dem das verstaubte Haar wirr um die nassen Schläfen klebte, dessen Atem heftig durch den aufgerissenen Mund ging – und sie schien auf einen Büffel, der den jungen Reiter mit blutunterlaufenen Augen anglotzte. Das Pferd stand einen Augenblick regungslos wie aus Stein gehauen, und auch der Büffel rührte sich noch nicht. Harka starrte den schwarzbraunen Koloß an. Zum erstenmal in seinem Leben stand er dem Tier gegenüber, das für ihn und seinesgleichen Zelt, Nahrung, Leben bedeutete – wenn es getötet wurde. In der Rückenhaut des Büffels steckten viele Pfeile – wie gespickt sah er aus – und obgleich Harka kaum denken konnte, wurde er sich doch mit einem einzigen Blick bewußt, daß das seine, Harkas, Pfeile waren, alle seine Pfeile! Alle seine Pfeile staken in dieser Büffelrückenhaut, aber der Büffel lebte und glotzte ihn, den Jäger, höhnisch an.
    Was sollte nun werden?
    Wenn Harka wendete, konnte der Büffel sofort verfolgen und angreifen, und vielleicht war er samt allen Pfeilen in der dicken Haut noch schneller als das übermüdete Pferd? Wenn Harka das Pferd antrieb und brüllend vorging, ließ sich der Büffel vielleicht erschrecken und in die Flucht treiben. Vielleicht …
    Büffel jagen war keine einfache Sache.
    Harka gab seinem Tier einen leichten Schenkeldruck, nur eine kleine Mahnung, daß es irgend etwas unternehmen solle; es mußte selbst am besten wissen, was hier zu tun war!
    Und der Mustang wußte es.
    Er brach plötzlich zur Seite, machte mit einer nicht vorherzusehenden Gewandtheit und Schnelligkeit ein paar Galoppsprünge kreuz und quer, während der Büffel mißtrauisch langsam den Kopf drehte und die Quaste des gestellten Schwanzes rührte. Harka gab sein Tier völlig frei. Er schmiegte sich dicht an den Pferdehals, um auf alle Fälle oben zu bleiben, und das war gut – denn jetzt setzte der Mustang zu einem Sprung von überraschender Kühnheit an und gelangte quer über den pfeilgespickten Büffelrücken weg – um dann in einem triumphierenden herrlichen Galopp über die weite Ebene zu fliegen.
    Harka mußte lächeln. Er konnte nicht sehen, was das noch für ein verzerrtes, verkrampftes Lächeln war. Aber er lächelte über die Klugheit

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