Harry Potter - Gesamtausgabe
tun, weißt du …«
»Haben Sie schon eine Spur von diesem Black?«, fragte Harry.
Fudges Finger rutschten fahrig über die silbernen Verschlüsse seines Umhangs.
»Wie bitte? Oh, du hast davon gehört, nun, nein, noch nicht, aber es ist nur eine Frage der Zeit. Die Wachen in Askaban haben noch nie versagt … und so wütend hab ich sie noch nie gesehen …« Fudge schauderte ein wenig. »Nun, ich verabschiede mich.«
Er streckte die Hand aus, und als Harry sie schüttelte, fiel ihm plötzlich etwas ein.
»Ähm, Herr Minister, kann ich Sie etwas fragen?«
»Natürlich«, sagte Fudge lächelnd.
»Also, Drittklässler in Hogwarts dürfen doch Hogsmeade besuchen, und mein Onkel hat die Zustimmungserklärung nicht unterschrieben. Meinen Sie, Sie könnten –?«
Fudge sah peinlich berührt aus.
»Ähm«, sagte er. »Nein. Nein, tut mir sehr leid, Harry, aber da ich nicht dein Vater oder Vormund bin –«
»Aber Sie sind der Zaubereiminister«, drängte Harry. »Wenn Sie mir die Erlaubnis geben würden –«
»Nein, tut mir leid, Harry, aber die Vorschriften sind nun mal so«, sagte Fudge mit matter Stimme. »Vielleicht kannst du Hogsmeade nächstes Jahr besuchen. Im Grunde finde ich es ohnehin besser, wenn du nicht … ja … gut, ich muss gehen. Viel Spaß hier, Harry.«
Und mit einem letzten Lächeln und einem Händedruck verabschiedete sich Fudge, und Tom ging freudestrahlend auf Harry zu.
»Würden Sie mir bitte folgen, Mr Potter«, sagte er. »Ich habe Ihre Sachen schon hochgetragen …«
Harry folgte Tom eine schöne hölzerne Treppe empor zu einer Tür mit der Messingnummer elf, die der Wirt für ihn aufschloss und öffnete.
Drinnen standen ein sehr bequem aussehendes Bett und ein paar auf Hochglanz polierte Eichenmöbel, im Kamin prasselte fröhlich ein Feuer und auf dem Kleiderschrank hockte –
»Hedwig!«, keuchte Harry.
Die Schneeeule klickte mit dem Schnabel und flatterte hinunter auf Harrys Arm.
»Eine sehr kluge Eule haben Sie da«, gluckste Tom. »Kam etwa fünf Minuten nach Ihnen an. Wenn Sie irgendetwas brauchen, Mr Potter, zögern Sie nicht zu fragen.«
Mit einer weiteren Verbeugung ging er hinaus.
Harry saß eine ganze Weile auf dem Bett und streichelte Hedwig, ganz in Gedanken versunken. Der Himmel draußen vor dem Fenster wechselte rasch die Farben, von einem tiefen, samtenen Blau zu einem stählernen Grau und dann, allmählich, zu einem mit Gold durchzogenen Rosa. Harry konnte kaum glauben, dass er erst vor ein paar Stunden aus dem Ligusterweg geflohen war, dass er nicht von der Schule geworfen wurde und dass er jetzt drei Wochen ohne einen einzigen Dursley vor sich hatte.
»Das war eine ziemlich merkwürdige Nacht, Hedwig«, sagte er gähnend.
Und ohne auch nur seine Brille abzunehmen, ließ er sich in die Kissen sinken und schlief ein.
Im Tropfenden Kessel
Harry brauchte einige Tage, um sich an seine neue Freiheit zu gewöhnen. Nie zuvor hatte er aufstehen oder liegen bleiben können, wie ihm gerade zumute war, oder essen können, worauf er gerade Lust hatte. Er konnte sogar gehen, wohin er wollte, solange er in der Winkelgasse blieb, und auf dieser langen kopfsteingepflasterten Straße reihten sich die verlockendsten Zauberläden der Welt aneinander. So kam es Harry gar nicht in den Sinn, sein Versprechen gegenüber Fudge zu brechen und irgendwelche Ausflüge in die Welt der Muggel zu unternehmen.
Beim allmorgendlichen Frühstück im Tropfenden Kessel beobachtete Harry mit Vorliebe die anderen Gäste: komische kleine Hexen vom Land, die für einen Tag zum Einkaufsbummel gekommen waren; altehrwürdige Zauberer, die sich über den jüngsten Aufsatz in Verwandlung Heute stritten; wild aussehende Hexenmeister, rauflustige Zwerge und einmal sogar ein Wesen, das verdächtig nach einer Vettel aussah und aus seinem dicken wollenen Kopfschützer heraus einen Teller voll roher Leber bestellte.
Nach dem Frühstück ging Harry hinaus auf den Hinterhof, zückte den Zauberstab, tippte gegen den dritten Backstein von links über dem Mülleimer und trat einen Schritt zurück. Die Mauer öffnete sich und gab den Durchgang zur Winkelgasse frei.
Harry verbrachte die langen, sonnigen Tage damit, in den Läden zu stöbern und unter den grellbunten Sonnenschirmen der Straßencafés zu essen, wo die anderen Gäste sich ihre Anschaffungen zeigten (»Das’n Lunaskop, alter Junge, kein Rumgemurkse mehr mit Mondtabellen, verstehste?«) oder sich über den Fall Sirius Black unterhielten
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