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Heimkehr zu den Dakota

Heimkehr zu den Dakota

Titel: Heimkehr zu den Dakota Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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waren.
    Tashunka-witko lag in Fesseln. Stein mit Hörnern ließ sich neben ihm nieder und putzte an der Büchse herum, obgleich sie spiegelblank war. Der Gefesselte schaute nach der Waffe, auch nach dem jungen Indianer, so wie er es vor Jahren getan hatte, aber mit dem Ernst und der Eindringlichkeit, als ob alles gegenwärtig sei, und in solchem Ton sprach er auch die Worte: »Harka Steinhart Nachtauge Wolfstöter Büffelpfeilversender Bärenjäger! Du bist tapfer. Schämst du dich nicht, als Verräter mit den schmutzfüßigen Kojoten zusammen gegen die Krieger deines Stammes zu kämpfen?«
    Harka hatte darauf keine Antwort gegeben. Er hatte sich nur ein Stück weiter ab von dem Gefangenen gesetzt. So tat jetzt Stein mit Hörnern, und er begegnete dem Gefesselten mit dem gleichen abweisenden Blick, ja, er empfand die gleiche Beschämung vor den zuhörenden Siksikau wie damals.
    Das Spiel ging weiter. Die Schimpfreden am Marterpfahl wurden wiederholt. Tashunka-witko erhielt am Pfahl, um den die Feuer angezündet waren, die doppelläufige Büchse mit erhitztem Lauf; er packte sie, verbrannte sich noch einmal die Hände, die tief vernarbt waren, und schlug sich durch.
    Das Ende des Spiels war die Verhandlung der Häuptlinge um den Friedensschluß.
    »Aber damit alles klar und deutlich zwischen uns besprochen sei«, wiederholte Tashunka-witko seine damaligen Worte, »so will ich dir mitteilen, daß wir mit den Kriegern der Schwarzfüße Frieden schließen, nicht aber mit Verrätern, die aus den Zelten der Dakota ausgeschlossen sind.«
    Und Häuptling Brennendes Wasser wiederholte seine Antwort: »Du sprichst von einem Gast unserer Zelte. Vergiß das nicht. Solange Mattotaupa und sein Sohn bei uns weilen, werden wir jedes schmähende Wort gegen sie als eine Schmähung gegen uns betrachten!«
    »So sei es denn, wie du sagst«, gestand Tashunka-witko zu.
    Damit war das Spiel zu Ende.
    Mattotaupa entfernte sich rasch.
    Stein mit Hörnern schaute in das Gesicht des Vaters, als dieser vorüberging und sich unbeobachtet glaubte. Aber der Sohn konnte nicht ganz verstehen, was in dem Vater vorging. Mit dem Haß vermischte sich noch etwas anderes, dem Sohne Unbegreifliches und Unheimliches. Mattotaupa mochte an jenen zweiten Kampf denken, in dem er von Tashunka-witko schmählich besiegt worden war. Dieser Kampf wurde nicht vor den Zuschauern wiederholt.
    Es war Abend geworden. Der Wind erhob sich und kühlte die verschwitzten Gesichter. Aber in den Gemütern kehrte die Ruhe nicht so schnell wieder ein. Noch bis zum Aufblinken des Sternenscheins standen die Männer auf Festplatz und Wiesen zusammen.
    Donner vom Berge begleitete seinen Blutsbruder ins Zelt. Stein mit Hörnern hatte keine Lust, noch länger die Zielscheibe neugieriger Blicke zu sein. Er scheute sich auch davor, von Tashunka- witko angesprochen zu werden. Die Blutsbrüder fanden im Zelte nur die Mutter und Sitopanaki vor. Die beiden Frauen bereiteten das Essen für die jungen Krieger. Ehe sie fertig waren, kam auch Häuptling Brennendes Wasser zurück und nahm die Mahlzeit gemeinsam mit seinem Sohn und dessen Freund ein. Der Häuptling war an diesem Abend besonders ernst und schweigsam.
    An dem darauffolgenden Tage sollte nach dem Plan der Häuptlinge Ruhe herrschen, ehe das Fest mit dem Kultopfer für die Sonne seinen Abschluß fand.
    Donner vom Berge war mit der großen Feierlichkeit, die das Sonnentanzfest für die Siksikau seit je bedeutete, in seinen innersten Empfindungen sehr stark beschäftigt. Von Kind an, seit er überhaupt denken konnte, war dieses Fest, mit dem bei seinem Stamm die Kriegerweihe vollzogen zu werden pflegte, das größte, ernsteste und zugleich freudigste aller Feste gewesen, umwittert von Geheimnissen und alten Bräuchen. Oft hatte er schon miterlebt, wie junge Männer die Qualen des Sonnenopfers mutig bestanden, und immer wieder hatte ihn die scheue Stimmung vor Beginn des Festes befallen, die die Männer unwillkürlich leiser und mit tiefer Stimme sprechen ließ, die Kinder mit Ehrfurcht erfüllte und die Frauen aufmerksam und still und glücklich machte. Die Erwartung der Feier lebte und webte in allen Zelten wie eine besondere Luft.
    So kannte der junge Krieger das Fest des Sonnentanzes. Nun aber kam der Tag, jener einmalige Tag in seinem Leben, an dem er selbst im Mittelpunkt der Feier stehen sollte, mit seinem Blutsbruder zusammen. Größer als je war die Festlichkeit, da sich mehrere Stämme versammelt hatten, und der Sonnentanz in

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