Hexen: Vier historische Romane (German Edition)
Aufmachung. Ja, er war ein gut aussehender Mann, und das wusste er.
Heute wollte ich ihn auf das hübsche Fachwerkhaus neben dem Gut ansprechen. Ich hatte inzwischen erfahren, dass es bis zu Herrn von Kahls hiesigem Arbeitsantritt sein Vorgänger mit seiner Familie bewohnt hatte, und seit einiger Zeit schwebte mir vor, dieses Haus zu erwerben. Deshalb fragte ich Herrn von Kahl jetzt frei heraus, ob es mir der Baron wohl verkaufen wird. Verwundert über dieses Ansinnen, wollte er wissen, ob ich mit meiner derzeitigen Wohnstätte denn unzufrieden sei, sie habe mir doch bei meinem Einzug so gut gefallen, worauf ich ihm erklärte: „Sie gefällt mir noch heute, aber versteht bitte, als alleinstehende Frau unter Männern zu leben, ist nicht einfach.“
Mit schuldbewusster Miene gestand er darauf: „Das hatte keiner von uns bedacht. Hinzu kommt deren nächtlicher Radau. Ich werde unseren Feudalherrn fragen, ob Ihr das Haus beziehen dürft.“
„Nein“, korrigierte ich ihn, „ob er es mir verkauft. Ich lebe gerne in meinen eigenen vier Wänden. Gewiss, das Haus ist etwas groß für mich alleine, aber ich möchte ja auch mal Besuch empfangen.“
Darauf wurde er noch betroffener, betrachtete seine gepflegten, reich beringten Hände und gab zu: „Ja, auch das hatten wir nicht bedacht, wie nachlässig von uns. - Aber lasst mich überlegen.“
Sein Blick ruhte für eine Weile nachdenklich auf der Wildrosenhecke, bis er mir vorschlug: „Besser, Ritter von Erlenrode trägt Euer Anliegen dem Herrn Baron vor, er findet bei ihm geschicktere Worte als ich. Wärt Ihr damit einverstanden, gnädige Frau?“
Dem stimmte ich gerne zu, da ich mich meinem Ziel näher wusste, wenn Ritter von Erlenrode bei seinem Vater mein Fürsprecher wird.
Es war mir noch immer ungewohnt, seit meiner Ernennung zur stellvertretenden Hausfrau von einigen achtungsvoll mit gnädige Frau angesprochen zu werden.
W ie ich mir vorgenommen hatte, schlug ich bei Erwin und Kaspar einen schärferen Ton an. Bislang zwar mit wenig, nein, objektiv betrachtet, mit nicht dem geringsten Erfolg. Doch ich glaubte daran, dass meine Kampfenergie ihren aggressiven Widerstand auf Dauer zum Erliegen bringt.
Gleichzeitig baute ich den ängstlichen und von Kaspar und Erwin ungeniert verlachten Frowin auf. Dazu beauftragte ich ihn dann und wann, ohne meine Hilfe für den Baron eine kleine Heilspeise herzurichten, und seine Fragen, die er mir dann mit seinem Fisperstimmchen stellte, wie: „Glaubt Ihr, das Eigelb hat jetzt genug gezogen?“, oder: „Kostet bitte, soll ich noch etwas Bertram hinzufügen?“ wies ich meist mit den gleichen Worten zurück:
„Deine Verantwortung, Frowin.“
Hinterher prüfte ich lediglich, ob die Speisen gelungen waren und hatte nur selten eine Kleinigkeit auszusetzen, die jedoch stets zu verantworten war. So wurde Frowin langsam sicherer, und ich verlangte ihm, ungeachtet der täglich zunehmenden Schweißbildung auf seiner Stirn, immer mehr ab. Herrje, es wird mir doch gelingen, in dieser Küche die überall übliche und alle zufriedenstellende Hierarchie herzustellen.
Um fortan die Mittagstische zu bereichern, begann ich, zur Vorspeise zwei verschiedene Suppen anzubieten. Die eine ließ ich wohlweislich stets von Kaspar oder Erwin herrichten, die andere aber war die gleiche, die auch dem Baron serviert wurde, also eine Heilsuppe, zubereitet von Frowin, worüber die beiden anderen Köche ihre Nasen rümpften.
Und schließlich das Unerwartete für die beiden Köche, Frowins Suppen fanden großen Anklang, ihre hingegen wurden oft kaum angerührt. Aber nicht etwa, dass sie darauf kleinmütiger wurden, iwo, sie überspielten ihre Niederlage mit noch mehr Frechschnäuzigkeit.
Was auch immer ich mir einfallen ließ, ich wurde dieser beiden Köche nicht Herr.
F rowin indes wurde mir eine immer bessere Hilfe. Nur für eine gute Gartenernte mangelte es ihm an Talent.
Was ich momentan nicht unbedingt bedauerte, denn seit der Baron seine Krise überwunden hatte, stieß ich bei meinem morgendlichen Gang zum Küchengarten häufig am Bachsteg auf seinen Sohn, weshalb ich es begrüßte, Frowin nicht mehr an meiner Seite zu haben.
Hatte ich unseren jungen Herrn eingangs als aufdringlich empfunden, so genoss ich inzwischen sein Interesse an mir, und ich bedauerte, dass er mich nie ansprach, unsere Begegnungen beschränkten sich jeweils auf ein kurzes „Guten Morgen!“, „Guten Morgen!“, wobei er mir stets aus seinen so auffallend blauen Augen einen
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