Hochgefickt
Sex ist überbewertet. Genau wie der erste Satz eines Romans.
Solche Scheuklappenphänomene sind immer ärgerlich, weil sie eine völlig unnötige Beschneidung interessanter Sachverhalte darstellen und spannende Facetten einfach rigoros ausklammern.
Nehmen wir zum Beispiel den naiven Irrglauben, beim Hochschlafen ginge es tatsächlich vorrangig um Sex. Durch einen solch einseitigen Blickwinkel bekommt diese alternative Art der Karriereplanung nicht nur den Nimbus des Unanständigen und geistig Beschränkten (denn: »Dumm fickt gut!«), sondern sie wird auch in ihrer beeindruckenden Vielschichtigkeit nicht gebührend honoriert.
Aber es macht nun mal einfach mehr Spaß, mit dem Finger auf »die dumme Schlampe« zu zeigen, als einem erfolgreichen Luder auch noch Faktoren wie psychologisches Geschick, umsichtiges Taktieren, zupackenden Mut und einen autarken Charakter attestieren zu müssen.
Ich wette, selbst Cleopatra war zu ihrer Zeit als notgeiles Römerliebchen verschrien, und auch heute, Jahrtausende später, ist gekonntes Hochschlafen nun mal leider immer noch eine verachtete Kunst, der man Anerkennung oder Respekt höchstens in Form von Neid und Bösartigkeiten zollt. Die ein oder andere Chefarztgattin wird mir da aus ihrer Erfahrung heraus sicherlich zustimmen.
Die herablassende Haltung wird der Leistung dieses Gesamtkunstwerks allerdings nicht gerecht, denn auf dem Weg nach oben ist es tatsächlich nur sekundär wichtig, im richtigen Moment bei den richtigen Leuten die Beine breit zu machen.
Weitaus wichtiger ist es, seinen Kopf zu benutzen – und damit meine ich definitiv nicht nur Oralverkehr. Offensiv kolportierter Spaß an sexuellen Dingen erweist sich natürlich eindeutig als hilfreich, aber es geht eben nicht nur darum, sich anzubieten und dann flachlegen zu lassen – da könnte man ja gleich eine Karriere im Rotlichtgewerbe ansteuern.
Beim erfolgreichen Hochschlafen hingegen dreht es sich vielmehr um Macht, klassische, weibliche Macht – eben um die altbewährten Kniffe, Männer überhaupt erst mal dahin zu bringen, dass sie einiges dafür tun, dich endlich in die Horizontale zu bekommen. Zeitgeist und Umfeld beeinflussen dann wiederum die Aktivitäten der Männer, um an eben dieses Ziel zu gelangen: Mammuts keulen, Kriege beginnen, die Ehe versprechen oder sich in einer Talkshow zum Heinz machen.
Die Ziele der Frauen haben sich dank der Emanzipation allerdings verändert und erweitert: finanzielle Unabhängigkeit und eine eigene Karriere schenken eine ganz andere Qualität von Macht – und zwar im besten Falle zusätzlich zu den klassischen Kniffen.
Leider ist es nur so, dass bei dieser neuen Art von Einflussnahme die alten, weiblichen Tricks verpönt sind und es bei Zuwiderhandlung eben schnell heißt: »Die hat sich doch hochgefickt!« Aber wenn man für ein Ziel kämpft, sollte man da nicht alle verfügbaren Mittel einsetzen? Nur weil es heißt: »Dumm fickt gut!«, gilt im Umkehrschluss eine lustfeindliche Ausstrahlung als Beleg intellektueller Fähigkeiten – warum fügen sich so viele kluge Frauen vorauseilend in dieses Klischee? Sollte man nicht eher den Anspruch haben, neben gesellschaftlichen Strukturen auch das diskriminierende Sprichwort zu ändern? »Dumm fickt gut – aber schlau fickt besser!«
Natürlich kann man Strukturen, Vorurteile und Klischees anprangern in der Hoffnung, dass sich etwas ändert. Man kann jedoch auch mit eben diesen Strukturen, Vorurteilen und Klischees spielen, sie für seine Ziele nutzen, den Irrsinn dabei subversiv vorführen und sich währenddessen auch noch schön ins Fäustchen lachen …
Ich habe mich für letztere Variante entschieden und als klassische Zockernatur auf meinem Weg nach ganz oben gnadenlos immer alles eingesetzt, was ich hatte. Dass ich damit durchschlagenden Erfolg hatte (und nebenbei ein beachtliches Vermögen anhäufen konnte), lag aber nicht nur an meinem strammen Dekolleté – dass mir das Glück hold war, lag vor allem daran, dass bei einer blonden Sexbombe einfach niemand einen IQ von 132 vermutet. Und das ist ganz großartig, denn es gibt keine bessere Basis für einen richtig fetten Coup, als im Vorfeld elementar unterschätzt zu werden.
Doch bevor ich anfange, von meinem Aufstieg in die Schlagzeilen der 90er-Jahre zu erzählen, sollten wir uns ein bisschen besser kennenlernen. Denn dafür reicht mein erster Satz ganz sicher nicht – der reicht nur für die Ahnung, dass in diesem Buch wohl weniger kopuliert
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