Horror-Trip im Luxusauto
hätte
keine frohe Minute. Du weißt doch, wie bombig ich mich mit meiner Mutter verstehe.
Sie arbeitet hart. Die Kohle fürs Internat ist ja schließlich kein Pappenstiel.
Susanne freut sich auf mich. Sie will sich eine Woche Urlaub nehmen.“
„Shit!“ Klößchen schlug mit dem
Wäschesack gegen einen Laternenpfahl. „Du kannst einem die ganzen Pfingstferien
versauen.“
Tim lachte, obwohl ihm nicht danach
zumute war. „Ich wette, ihr habt euren Spaß auch ohne mich.“
Beim Hauptgebäude — im ersten Stock
rechts, wo die Verwaltungsbüros sind — wurde ein Fenster geöffnet.
„Tim!“
Die Stimme des Schulleiters. Direktor
Dr. Freund konnte brüllen, daß man ihn drüben in der Stadt hörte — schlappe 20
Trablauf-Minuten entfernt.
Der TKKG-Häuptling drehte sich um.
„Herr Direktor?“ brüllte er zurück.
„Ein Anruf für dich. Deine Mutter. Ich
leg’s in die Besenkammer.“
Tim brüllte: „Danke!“ Und rannte
zurück.
„Ich bringe die vermoderte Leibwäsche
zur Entseuchung“, rief Klößchen ihm nach.
Die Besenkammer befindet sich im Flur
des Haupthauses: eine Telefonzelle, stickig und eng. Sie heißt Besenkammer,
weil sie das früher tatsächlich war.
Der Apparat schrillte. Dr. Freund als
Telefonist.
„Ja?“ Tim riß sich den Hörer ans Ohr.
„Hallo, Junior. Ich bin’s.“ Die
fröhliche Stimme seiner Mutter. Klar, Pfingsten rückte näher — das liebliche
Fest.
„Hallo, Mutti! Wie geht’s dir? Gesund?
Ja, ich immer. Und der verknackste Fuß? Gut. Nein, Sonne. Willi und ich wollen
gerade zu Wertheyms. Ja, stell dir vor: Ich bin zwei Kilo schwerer geworden.
Natürlich nur Muskeln. Kommt vom Training. Gehst du auch wirklich jede Woche
zur Jazz-Gymnastik? Zweimal? Spitze! Was macht Marion Thebes? Fliegt Pfingsten
nach Korfu. Aha. Wertheyms? Wer die Wertheyms sind? Habe ich dir das noch nicht
erzählt?“
Weil es so stickig war, hielt Tim die
Tür spaltbreit mit dem Fuß offen. Deshalb kam Klößchen ins Blickfeld — mit
energischem Ausdruck auf dem Vollmond-Gesicht.
Fuchtelnde Hände. Tim deutete die
Zeichensprache richtig. Laß mich auch mal ans Rohr, hieß das.
Tim schüttelte den Kopf, denn er ahnte,
was Klößchen vorhatte. Der wollte Susanne beschwatzen, Tim zum Urlaub in der
Toskana zu verdonnern.
Tim zog den Fuß zurück, und die Tür der
Besenkammer schnappte ins Schloß.
„Tim, bist du noch da? Wer sind die
Wertheyms?“
„Mit Ypsilon schreiben sie sich.
Florian, der Sohn, ist so alt wie ich. Ein Klassenkamerad. Er ist okay, nur ein
bißchen mickrig. Er steht nicht voll im Saft, will ich damit sagen, ist ein
bißchen klein und spillerig. Er hat sich an uns gehängt — an Karl, Klößchen und
mich. Wenn Gaby in seine Nähe kommt, verdreht er die Augen vor Entzücken. Naja,
das tun andere auch. Jedenfalls sind die Wertheyms megareich — etwa so wie
Klößchens Eltern. Florians Vater ist Industrieller, Feinkost-Erzeugnisse.
Fleischpasteten, edelste Fertigsuppen, hochedele Fisch-Konserven, exotische
Leckereien und asiatische Genußmittel. Zur Zeit ist er in Japan. Verhandelt in
Tokio. Ich glaube, er will dort eine Fabrik kaufen.“
„Tim, was ich dir noch sagen wollte ..
„Moment, Susanne.“ Meistens nannte er
seine Mutter so. „Die Wertheyms haben nämlich eine Ferienvilla in der Toskana.
Das wollte ich erwähnt haben.“
Seine Mutter wurde hellhörig. „Wohnen
sie ständig dort?“
„Nein. Hier.“
„Aber in den Ferien reisen sie
dorthin?“
„Sogar in den Pfingstferien.“
„Und wo ist das?“
„In oder bei Ventilipulciano.“
„Oh!“ meinte Susanna. „Das ist ja nur
drei Kilometer entfernt von Mirakolipulciano.“
„Kenne ich nicht.“
„Ein Nachbarort, Tim. Soll wundervoll
sein.“
„Ventilipulciano auch.“
„In Mirakolipulciano wohnt meine
Freundin Miranda Pittore.“
„Die Kunstmalerin?“ Tim entsann sich
der glutäugigen jungen Frau, die nach Deutschland geheiratet hatte: in seine
Heimatstadt, wo aber ihr Mann — ein Zahnarzt — ein halbes Jahr nach der Trauung
bei einem Unfall ums Leben kam.
„Ja, Tim. Und - stell dir vor - sie hat
mich eingeladen: Pfingsten soll ich sie besuchen, unbedingt. Dort in ihrer
Heimat. Ich überlege schon, ob nicht wir beide...“
„In Mirakolipulciano!“ rief Tim. „Das
trifft sich ja großartig.“ Und er erzählte ihr von der Einladung der Wertheyms,
die er nun natürlich annehmen konnte. Denn was sind drei Kilometer? Keine
Entfernung. Ein Spaziergang. Da sieht man sich doch
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