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Tote essen keinen Döner

Titel: Tote essen keinen Döner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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|5| Einstimmig ins Unglück
    Wenn ich geahnt hätte, dass mir die neue Wohnung zwar weniger Miete und niedrigere Nebenkosten, dafür aber wesentlich mehr Ärger und höhere Leichenzahlen bescheren würde, wäre ich niemals in dieses Horrorhaus gezogen.
    Aber eins nach dem anderen, ich meine: eine Leiche nach der anderen. Ich muss meine wahnwitzige Mordsgeschichte von Anfang an erzählen – also bevor die Toten laufen lernten. Von dem Zeitpunkt an, als ich noch richtig glücklich, die Mörder relativ unschuldig, die Leichen ziemlich lebendig und die Schwarzarbeiter noch Weißarbeiter waren   …
     
    Eines schönen Morgens rufe ich nach dem Frühstück meine Familie zu einem runden Tisch an unserem eckigen Esstisch zusammen – ein bisschen gelebte Demokratie kann ja schließlich nicht schaden. Und aus langjähriger, leidvoller Erfahrung weiß ich, dass ich am demokratischsten bin, wenn ich mich vorher richtig satt gegessen habe. Dann bin ich manchmal sogar imstande, meinen kommunistischen Sohn Mehmet, den ewigen Studenten, ohne lautes Zähneknirschen zu ertragen.
    Das heutige Thema unserer Familienbesprechung ist selbst ihm so wichtig, dass er, entgegen seiner lebenslänglichen |6| Gepflogenheiten, vor zwölf Uhr mittags aufgestanden ist, um am Plenum teilzunehmen. Mit seinem ungewaschenen, zerknautschten Gesicht, seinen fettigen, langen Haaren und den zerknitterten Boxerschorts sitzt er mir im Unterhemd gegenüber. Neben ihm sehen meine Töchter Nermin, Zeynep und Hatice wie drei frisch gepflückte Rosen aus. Aber wie gesagt, da ich gerade gefrühstückt habe, bin ich unglaublich tolerant; ein Bilderbuchdemokrat durch und durch sozusagen.
    Nachdem meine Frau allen Anwesenden einen kleinen Verdauungsmokka eingeschenkt hat, eröffne ich den runden Tisch. Mit dem Löffelchen an die Mokkatasse klopfend, verschaffe ich mir Gehör:
    »Einen wunderschönen guten Morgen, meine liebe Familie. Wir sind heute hier an unserem heiligen Esstisch zusammengekommen, um über eine weitere glorreiche Epoche im Leben der ruhmreichen Familie Engin zu beraten. Ich danke euch für euer zahlreiches Erscheinen.«
    »Vater, mach’s kurz! Lass uns schnell abstimmen, damit ich wieder ins Bett kann, du weißt doch, dass ich heute Abend   …«
    »Bitte nicht unterbrechen«, unterbreche ich Mehmet und fahre in meiner Rede fort, »liebe Familie, worum es geht, wisst ihr ja   …«
    »Ja, Vater, wissen wir! Jetzt hau rein. Ich schlaf gleich ein«, meckert mein Sohn schon wieder.
    »Nun gut, kommen wir zur Sache. Wie ihr alle wisst, steht die bisherige Wohnung meines lieben Arbeitskollegen Abdullah-Ibrahim zur Disposition. Wollt ihr   …«
    »Ja, wir wollen! Und damit ist alles geklärt. Gute Nacht!«
    |7| »Mehmet, bitte halt die Klappe! Meine liebe Frau Eminanim und meine lieben Töchter Nermin, Zeynep und Hatice, bitte lasst euch von eurem unhöflichen und aufdringlichen Sohn und Bruder nicht bevormunden. Die heute zur Debatte stehende Existenzfrage ist extrem heikel: Wollen wir wirklich in diese große, schöne und außerordentlich preisgünstige Wohnung meines Arbeitskollegen Abdullah umziehen, oder bleiben wir weiter hier in unserem gemütlichen Karnickelweg 7b?«
    »Na klar, Leute, wir ziehen um! Macht euch mal keine Gedanken wegen dem blöden Adolf. Darum kümmere ich mich schon«, versucht Mehmet erneut die übrigen Familienmitglieder zu beeinflussen. »Diesen durchgeknallten Skinhääd werde ich schon umerziehen. Oder ich vertreibe ihn genauso aus dem Haus, wie er das mit Onkel Abdullah gemacht hat.«
    »Das finde ich ganz toll, mein Sohn, wie du an das Thema herangehst: immer demokratisch. Also, wer ist dafür, dass wir aus dieser Wohnung ausziehen und in die größere Wohnung von Onkel Abdullah-Ibrahim einziehen? Finger hoch!«
    Meine siebzehnjährige Tochter Nermin streckt wie eine Erstklässlerin energisch ihren Zeigefinger in die Höhe und kreischt:
    »Ich bin dafür, ich bin dafür! Ich schreibe gerade an einer Arbeit über Rechtsradikale in Deutschland. Dann hätte ich immer einen leibhaftigen Nazi ganz in meiner Nähe, den ich ständig für alle meine Forschungszwecke benutzen und interwjuen könnte!«
    »Osman, du weißt, was mein Opa, Allah hab ihn selig, immer gesagt hat, ›Finde keine gute Wohnung, sondern |8| finde gute Nachbarn‹«, meldet meine Frau Eminanim Bedenken an.
    »Na und? Gute Nachbarn haben wir weder dort noch hier«, setzt Mehmet seine Lobbyarbeit für die neue Wohnung fort.
    Ich fange langsam an, mir

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