Im Auge des Falken (Regelence-Serie) (German Edition)
könnten ungesehen die Stallungen erreichen.
»Hey.« Payton tippte Aiden auf die Schulter. »Gib mir dein Krawattentuch.«
»Wie bitte?« Aiden sah über die Schulter zu seinem Bruder. Payton trug einen blassblauen Gehrock über einem schneeweißen Hemd und einer Halsbinde. »Warum?«
Payton verdrehte die Augen und blies sich eine dunkle Haarsträhne aus der Stirn, als wäre die Antwort völlig offensichtlich.
»Damit ich was habe, um Muffin zu bedecken. Ich kann ja schlecht mit ihr herumlaufen, wenn sie nackt ist.«
Aiden sah keinen Grund warum nicht, sie war ja noch ein Kleinkind. Es war vielleicht nicht akzeptabel, sie unbekleidet herumlaufen zu lassen, aber es wäre schlimmer, wenn jemand Aiden so schlampig sah. Nicht, dass es ihn selbst störte, aber Vater würde ihm das Fell über die Ohren ziehen, wenn er einen Skandal verursachte.
Bei dem Gedanken verschluckte sich Aiden beinahe. Wie oft hatte er schon Standpauken über die Regeln angemessenen Verhaltens gehört und sie missachtet? Allein ohne Anstandsbegleitung auszugehen, war skandalös genug, wenn man ihn denn erwischte.
»Na schön, Colton, halt mal.« Aiden reichte sein Zeichenpad an seinen Bruder weiter und löste seine Halsbinde, um Payton den Stoff zuzuwerfen.
»Danke. Nimm sie mal eben, damit ich meins ausziehen kann.« Payton übergab ihm das nackte Kind und entledigte sich seiner eigenen Halsbinde.
Muffin grapschte mit ihren kleinen, pummeligen Händchen nach Aidens Wangen und drückte ihm einen feuchten Kuss mitten auf den Mund. »Iß liep' Abe'teuer.«
»Könntet ihr euch mal beeilen?«, zischte Colton nach hinten. Er war bereits ein ganz schönes Stück vorausgeeilt.
Sie rannten ihm hinterher, Muffin klammerte sich an Aidens Hals fest und Payton war noch immer mit seinem Halstuch beschäftigt. Als sie schließlich die Seite des Parks erreichten, die direkt gegenüber der Stallungen lag, hielten sie kurz inne, um wieder zu Atem zu kommen.
Aiden stellte Muffin wieder auf ihre eigenen Beine und Payton wickelte die Halstücher um sie wie eine Art Bikini-Toga. Es war eine interessant aussehende Kombination, aber Muffin schien das nicht zu stören.
Sie warf sich in Pose. »Hübs'?«
Aiden lachte leise. »Ja, Muffin, du bist hübsch.«
Grollend reichte Colton Aiden sein Zeichenpad. »Rexley bringt uns um, wenn er sie so sieht.«
Payton nahm Muffin wieder auf den Arm und schnaubte. »Na ja, immer noch besser, als sie nackt rumlaufen zu lassen.«
Colton zuckte die Schultern. »Auch wieder wahr.« Er sah zur Residenz zurück und legte den Kopf schief. »Jetzt müssen wir uns nur noch in die Ställe schleichen. Ich muss Apollo holen, wenn ich zum Fluss reiten will.«
»Warum verschwendest du deine freie Zeit mit einem Ritt zum Fluss? Das kannst du auch in Begleitung machen.«
Grinsend hob Colton eine Augenbraue. »Ja, aber wenn ich dort heute ohne Anstandsbegleitung auf Lord Wentworth treffe, kann ich –«
Payton schüttelte bereits den Kopf, bevor Colton seinen Satz beenden konnte. »Nein. Du gehst allein nicht mal in die Nähe von Viscount Wentworth. Sebastian Hastings ist vielleicht der Befehlshaber der königlichen Garde, aber er ist auch Witwer, alleinstehend und nicht zu vergessen, ein Lebemann der schlimmsten Sorte. Du wirst kompromittiert! Und was dann? Vater und Cony werden mich dafür verantwortlich machen, weil ich den Spion abgeschaltet habe.«
Aiden nickte zustimmend. Payton würde genauso viel Ärger bekommen wie Colton. Aber Colton wäre gezwungen, Lord Wentworth zu heiraten. Und wie er Colton kannte, war auch genau das sein Ziel. Anders als Aiden und Payton genoss Colton die Aufmerksamkeit der Gesellschaft und die Suche nach einem Ehemann.
Aiden zuckte die Schultern und stupste Colton in die Seite. »Komm. Ich will einen der Gleiter nehmen und zu den Docks fliegen, bevor uns jemand erwischt. Ich will schon so lange die Weltall-Frachter und Wasserschiffe zeichnen.«
***
Bei den Docks ging es hektisch und laut zu, hier pulsierte das Leben, wie Aiden es noch nie zuvor erlebt hatte. Er war schon früher mit seinem Sire und seinem Vater in den Regelence Space Docks gewesen. Er hatte sogar schon die Besucherrampen des Space Docks gesehen, aber das war gar nichts gegen das hier.
Von den Besucherrampen aus sah man selten, wie Fracht von einem Schiff verladen wurde. Normalerweise ging ein Beamter an Bord, inspizierte die Waren und verließ das Schiff wieder. Er erteilte die Freigabe zur Reise im
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