Im Auge des Falken (Regelence-Serie) (German Edition)
zu erkennen. Sein Magen sackte ihm in die Kniekehlen, als ihm das ganze Ausmaß der Misere bewusst wurde – egal, wie unbeabsichtigt sie auch geschehen sein mochte. Er hatte einen Mann getötet.
»Es tut mir leid.« Jareds Stimme war so leise, dass Nate ihn kaum verstand.
»Ja, mir auch«, flüsterte er zurück. Erneut wendete er Nabil und schenkte seinem einzigen Bruder ein trauriges Lächeln. »Lass uns nach Hause gehen, kleiner Bruder.«
Jared nickte und zog sich in den Gleiter zurück, dessen Tür sich schloss. Das Fahrzeug hob vom Boden ab, gewann an Höhe und steuerte auf die Straße zu. Mit hoher Geschwindigkeit rauschte es nach Hawthorne Manor.
Nach einem letzten Blick auf die verborgene Lichtung schloss Nate die Augen. Sein Leben würde nie mehr so sein wie zuvor. Er trieb Nabil an und galoppierte in Richtung seines Zuhauses und damit dem Urteil seines Vaters entgegen.
Kapitel 1
5. November 4829, Planet Regelence, Regierungsland Pruluce,
Townsend Castle in Classige
Ein ohrenbetäubendes Kreischen hallte durch die Residenz, gefolgt vom Geräusch nackter Füße auf dem Marmorfußboden, das jedoch plötzlich gedämpfter klang. Aiden sah von seinem Zeichenpad auf.
Muffin, das Mündel seines ältesten Bruders, stürmte splitternackt und tropfnass durch die Tür des Salons. Die halblangen, roten Haarsträhnen klebten ihr im sommersprossigen Gesicht, an ihrem Hals und den Schultern. Sie rannte, so schnell ihre dünnen Beinchen sie trugen und hinterließ dabei feuchte Spuren auf dem blauen Teppich. Sie linste über die Schulter nach hinten. Ohne Aiden zu beachten, schlüpfte sie unter die Chaiselongue, auf der er es sich gemütlich gemacht hatte.
Er biss sich auf die Unterlippe, um nicht laut loszulachen. Es war offensichtlich Badezeit. Er speicherte sein neuestes Gemälde, steckte den Stift in die Halterung an der Seite des Pads und legte es beiseite. Er beugte sich über die Kante der Chaiselongue und hob den goldenen Damast-Volant an. Eine dunkle Locke fiel ihm in die Augen und er strich sie beiseite, während er in zwei große, blaue Augen sah.
Muffin legte einen winzigen Finger an ihre Lippen. Noch immer rann Wasser über ihre rosigen Wangen.
»Pscht... nich' verrat'n Aid'n.«
Aiden ließ den Stoff los und richtete sich wieder auf, während er noch immer mit seiner Belustigung kämpfte. Die Vierjährige verstand noch nicht, dass Jeffers, der Zentralcomputer des Anwesens, alles wusste, was unter seinem Dach passierte. Zweifellos würde ihre Kinderfrau Christy als erstes Jeffers fragen, um das Kind zu finden.
Aiden entschied, dem kleinen Wassergeist zu helfen. Natürlich musste sie baden, aber ab und zu war es auch ganz gut, sich ein bisschen zu wehren. Damit es nicht langweilig wurde.
»Jeffers?«
»Ja, Lord Aiden?«, fragte der körperlose Bariton.
»Du hast Lady Muffin nicht gesehen.«
»Milord, Ihr wisst doch, dass es mir nicht erlaubt ist, die Schlosswachen und Aufsichtspersonen zu Euren Gunsten zu belügen. Dazu zählt auch Lady Muffins Kinderfrau.«
Aiden seufzte. Natürlich wusste er das. Der Bereich innerhalb der Residenz und auf den unmittelbar angrenzenden Parkanlagen war der einzige, auf dem der Aufenthalt ohne Anstandsbegleitung für ihn und seine Geschwister gestattet war. Was im Umkehrschluss bedeutete, dass sie sich Tricks ausdenken mussten, um sich unbeobachtete Augenblicke zu verschaffen. Und apropos...
Er warf einen Blick auf die Uhr auf dem weißen, marmornen Kaminsims. 09:12 Uhr. Noch drei Minuten, bis Payton Jeffers abschaltete, sofern Payton es schaffte, Jeffers Sicherheitskameras, die menschliche Dienerschaft der Residenz und das Sicherheitssystem zu umgehen, um ins Kontrollzentrum im Keller zu gelangen. Nachdem Payton das letzte Mal bei Jeffers den Schalter umgelegt hatte, hatten ihre Eltern darauf reagiert, indem sie mehr Schutzmechanismen installiert hatten.
»Na schön, dann lass es mich so ausdrücken: Du siehst Lady Muffin ja nicht, sie versteckt sich irgendwo im Haus.«
»Das stimmt, Lord Aiden. Meine Kameras können sie unter der Chaiselongue nicht sehen, allerdings sagen mir die Wärmesensoren, dass sie sich dort befindet. Ich werde dies Miss Christy mitteilen.«
Aiden schnaubte. Jeffers würde seine Nachricht an Christy auch exakt so formulieren. Nicht, dass es eine große Rolle spielte. Christy konnte ganz einfach den feuchten Spuren folgen, um ihren Schützling aufzuspüren. Aber es würde der kleinen Rabaukin einen Moment ohne
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