Incubus et Succubus
irgendwann kam dann die Musik auch noch hinzu. Neben der Kanadierin Morissette gesellte sich auch Amanda Marshall hinzu, Joan Osborne (deren Musik Daniel am wenigsten mochte) und als dann sogar Celine Dion beim Sex in den CD-Player eingelegt wurde, war sich Daniel sicher, dass er den größten Fehler seines Lebens unterstützt hatte.
Willkommen im Jahr 2012, wo jeder sein Individuum heraushängen lässt. Obwohl jeder behauptete ein eigenständiges (gottgewolltes) Individuum zu sein, sind wir doch im Endeffekt am glücklichsten, wenn wir uns in einer schon etablierten Schublade wiederfinden. Cartoonify yourself. Make yourself complete. – Tja und das in jungen Jahren schon. Am besten mit 20. Andere große Denker waren sich sicher, auch im todesnahen Alter noch nicht im Complete-yourself-Stadium angekommen zu sein. Heute musste das mit spätestens Anfang 30 vollzogen sein. Ha! Wenn man bedenkt, dass die meisten mit Anfang 30 heutzutage noch immer keinen Job gefunden haben, ist das eine sehr bedenkliche Entwicklung der Menschen.
„Ist das eine neue Morissette?“
„Nee, die MTV-Unplugged von 1999.“
„Gerade noch in den 90ern, stimmt’s?“
„Hee e, lass mir meine Alanis!“ Und Dominik lachte herzlich mit seinem Freund und gab ihm einen leidenschaftlichen Kuss.
„Freust du dich auf den Ausflug ins Grüne, mein Schatz?“, fragte Daniel schnippisch, da er ja nicht die Couchpotato von beiden war.
„Ich kann’s kaum erwarten“, log Dominik, aber er wusste selbst, dass ihm ein kleiner Ausflug nicht schaden konnte – eher im Gegenteil. Seine Speckröllchen, die er um die Hüften trug, wurden vom vielen Fernsehen und Kinogehen auch nicht kleiner. Einwenig mehr Betätigung (egal in welcher Form) täte ihm sicherlich gut. Die Natur genießen, die Landschaft beobachten und außerdem konnte er – wenn es der Empfang auf seinem Black-Berry zuließ – weiterhin auf der Auktion bei Ebay mitbieten. Eine tolle Jeans der Marke Levis aus den 90ern (was sonst) wurde versteigert. Anscheinend hatten schon mehrere den herrlichen Drang verspürt, die 90er wieder aufleben zu lassen. Dominik überlegte einen eigenen Club zu grünen, der sich ausschließlich mit den herrlichen Sachen aus den 90ern beschäftigte.
„An was denkst du?“, fragte Daniel liebevoll, der es sich im Auto seines Freundes gemütlich machte.
„An nichts Wichtiges … nur an einen Club, den ich mir gerade vorgestellt habe, der sich ausschließlich mit den wunderbaren Sachen aus den 90ern beschäftigt“, antwortete er verlegen und klopfte mit seiner linken Hand auf sein Bäuchlein.
Daniel verstand, aber fragte nicht nach , wie er sich den Club vorstellte. Und das Klopfen auf das Bäuchlein interpretierte er ohnehin als ein Zeichen dafür, dass Dominik endlich bemerkt hatte, dass da etwas mehr wurde – das manchmal sogar hinderlich beim Sex war! Klar hatte er bemerkt, dass sein Freund in den letzten zwei Jahren kontinuierlich an Gewicht zulegte (anstatt ab, wie es in der schwulen Welt vorgeschrieben war, wenn man den Kampf gegen die Pfunde und dem Jugendwahn ein wenig verfolgte), doch hatte er ihn noch immer genauso lieb, wie am Anfang ihrer Beziehung. Natürlich, es stellte sich ein alltägliches Regelwerk ein, das entweder beide einhielten oder durchbrachen. Daniel und Dominik waren da flexibel geworden. Zum Beispiel hatten sie am Anfang ihrer Beziehung die fixe Idee einführen wollen, mindestens einmal in der Woche Essen zu gehen; doch schon nach einem halben Jahr fanden beide diese Idee nicht mehr so toll. Erstens gab es in Graz gar nicht so viele gute Restaurants, die man öfters (als einmal im Monat) besuchen konnte, ohne dass einem die Speisekarte nicht nach ein paar Versuchsgängen zum Hals raushängte, und zweitens flaute die Vorfreude, Essen zu gehen, nach den ersten paar Malen dermaßen ab, dass das Ritual ein Restaurant auszusuchen, sich herzurichten, eventuell Freunde einzuladen ganz einfach verschwand. Somit wurde dieses Ritual ad acta gelegt.
Auf jeden Fall brach dann eine Zeit an, in der beide sich wieder mehr ihren privaten Hobbys widmeten. Dominik ging ab und zu alleine ins Kino und traf ein paar Freunde mehr als sein Freund Daniel, der mit seiner Kamera die Natur beobachtete und eher auf Wanderschaft ging und nur ab und zu, mal hier mal da seine Freundschaften pflegte und nur manchmal einem Treffen mit den Freunden seines Freundes frönte.
Daniel war eher der Einzelgänger in der Beziehung
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