Ivanhoe
im Felde?« fragte er. »Ich fürchte, wir werden Schlimmes von der Herde hören. Mir ahnt schon – sie haben mir mein Eigentum weggetrieben und meinen treuen Sklaven ermordet. Und Wamba – wo ist Wamba? Sagte man mir nicht, er sei mit Gurth gegangen?«
Der Mundschenk Oswald, der ihm ab und zu einen silbernen Becher voll Wein reichte, bejahte die Frage.
»Immer besser! So haben sie ihn auch mit weggeschleppt, und der sächsische Narr soll nun den normannischen Herren dienen. Wir sind ja freilich allesamt nichts weiter als Narren, daß wir ihnen dienen, und sie könnten nicht mit mehr Recht unser spotten, wenn wir mit der Hälfte unseres Verstandes zur Welt gekommen wären. Aber ich will Rache nehmen,« rief er, indem er zornig von seinem Sitze aufsprang und seinen Speer ergriff. »Ich will Rache nehmen! Vor den hohen Rat will ich mit meiner Klage treten – ich habe Freunde und Anhang. Ich will den Normann zum Zweikampf in die Schranken rufen, Mann gegen Mann! Mag er nur kommen in Stahlpanzer und Schuppenketten und allem, was dem Feigen Mut verleiht. – Wohl mögen sie mich für alt halten, aber sie sollen sehen! Ob ich auch alt und kinderlos bin, noch fließt das Blut Herewards in den Adern Cedrics. – O, Wilfried, Wilfried!« fügte er in sanfterem Tone hinzu.
»Hättest du deine unkluge Leidenschaft zügeln können, so stände jetzt dein Vater in seinem Alter nicht da wie die einsame Eiche, die ihre zerzausten Zweige schutzlos dem vollen Sturme preisgeben muß.«
Diese Betrachtung schien ihn aus seiner Aufregung in Schwermütigkeit zu versenken, er stellte den Speer hin, setzte sich, schlug den Blick zur Erde und schien ganz in trübsinnige Gedanken vertieft. Aber aus dieser Grübelei schreckte ihn der Klang eines Zornes auf, den alle Hunde in der Halle und noch einige dreißig in den anderen Teilen des Geweses mit lautem Gebell erwiderten.
»Ans Tor, ihr Burschen!« rief der Sachse, als der Lärm soweit gestillt war, daß man wieder seine eigene Stimme verstehen konnte. – »Seht zu, was für Kunde uns dieses Horn bringt. Ich denke, Überfall und Räuberei auf meinem Grund und Boden!«
Nach einer kleinen Weile kam ein Aufseher zurück und meldete, der Prior Aymer von Jorlvaux und der Komtur des tapferen und ehrwürdigen Ordens der Tempelherren, der edle Ritter Brian de Bois-Guilbert nebst einem kleinen Gefolge bäten für diese Nacht um gastliche Herberge. Sie seien unterwegs zu einem Turnier, das in zwei Tagen unweit Ashby de la Zouche stattfinden soll.
»Aymer, Prior Aymer?« murmelte Cedric. »Brian de Bois-Guilbert? beides Normannen! Doch einerlei! Die Gastfreundschaft von Rotherwood muß hochgehalten werden – da sie es einmal vorgezogen haben hier Rast zu machen, so sind sie willkommen, willkommener freilich wäre es mir, sie zögen vorüber. Geh, Hundebert!« sagte er zu dem Hausverwalter, »nimm sechs von den Dienern mit und geleite die Fremden herein. Sieh nach den Pferden und Maultieren und sorge dafür, daß es dem Gefolge an nichts fehlt. Gib frische Kleider, wenn sie danach verlangen, und Feuer, Waschwasser, Wein und Bier! Sag auch den Köchen Bescheid, daß sie mehr Essen machen! Und den Fremden selber bestelle, Cedric würde sie gern selbst willkommen heißen, aber er habe ein Gelübde getan, sich keine drei Schritte von seinem Thronhimmel zu entfernen, sofern nicht ein Gast kommt, der aus sächsischem Königsblute stammt. Der Prior Aymer?« wiederholte er, sich zu seinem Mundschenk wendend, »man sagt, dieser Priester sei ein lustiger und freisinniger Mann, dem Becher und Hifthorn lieber seien als Betglöcklein und Meßbuch. Den lern ich gern kennen. Wie aber hieß der Templer?«
»Brian de Bois-Guilbert.«
»Bois-Guilbert,« sagte Cedric vor sich hin wie einer, der viel mit Untergebenen zusammen ist und daher mehr mit sich selbst als mit anderen spricht. »Bois-Guilbert. – Der Name hat guten und schlimmen Klang weit und breit. Er soll an Tapferkeit keinem seines Ordens nachstehen, soll aber auch die gewöhnlichen Fehler seinesgleichen haben: Stolz und Hochmut, Grausamkeit und Wollust. Er soll weder Furcht vor der Welt noch Ehrfurcht vorm Himmel haben, wie die wenigen Krieger sagen, die aus Palästina wiedergekommen sind. Oswald, zapf ab vom ältesten Weine und gib vom besten Met, vom schäumendsten Cyder und füll die größten Trinkhörner! Templer und Äbte sind Freunde von gutem Tropfen und vollem Maß. Und du, Elgitha, sage deiner Herrin, wir erwarten sie heute Abend nicht
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