Jerry Cotton - 0575 - Die Diamanten-Killer
ist etwas Furchtbares passiert. Er liegt bewusstlos oder tot auf dem Fußboden in seinem Zimmer. Es sieht schauderhaft aus. Ich habe gerade die Polizei angerufen. Also es kann gar keine Rede davon sein, dass der heute Nacht Dienst machen kann.«
»Das tut mir aber leid für Evans. Er ist so ein netter, zuverlässiger Mann. Wir müssen uns morgen früh gleich um ihn kümmern. Erinnern Sie mich bitte daran, Robby, ja? Und sagen Sie mir ruhig, wenn wir irgendetwas für ihn tun können. Aber das ändert natürlich nichts daran, dass wir für heute Nacht einen anderen Wächter brauchen.«
»Ginge es nicht auch einmal eine Nacht ohne? Ist doch in all den Jahren nichts passiert, Ma’am!«
»Nein, das geht nicht, Robby. In unserem Vertrag mit der Versicherung sind wir ausdrücklich verpflichtet, jede Nacht einen Wächter auf dem Werksgelände zu haben. Hören Sie, könnten Sie nicht einmal zu Watt fahren und ihn fragen, ob er heute Nacht für Evans einspringen kann?«
»Klar, Ma’am. Das macht der bestimmt.«
»Hoffentlich. Wenn er es tut, brauchen Sie mich nicht wieder anzurufen, Robby. Nur falls es mit ihm aus irgendeinem Grunde nicht klappt, dann melden Sie sich wieder, damit ich mir noch etwas anderes einfallen lassen kann.«
»Geht in Ordnung, Ma’am. Aber ich bin sicher, dass Watt die Schicht übernimmt. Also dann, gute Nacht.«
»Gute Nacht, Robby.«
Pullinger verzog das Gesicht, als er den Hörer auflegte. Er griff wieder in die Hosentasche, kramte abermals Münzen zusammen und schob sie in den Zahlschlitz. Auch die nächste Nummer, die er anrief, wusste er auswendig. Hier meldete sich eine Männerstimme, die undeutlich ein fragendes »Ja?«, brummte.
Unwillkürlich dämpfte Pullinger seine Stimme. »Hier ist Robby«, sagte er leise. »Ich habe gerade Evans gefunden. Himmel. Der hat aber genug für die nächsten Wochen! Pfui Teufel, das war kein schöner Anblick. Da kann einem ja…«
»Hören Sie auf!«, fiel ihm die un- , deutliche tiefe Männerstimme ins Wort. »Berichten Sie, was es zu berichten gibt, und dann legen Sie auf. Keine stundenlangen Sentimentalitäten!«
»Ja, natürlich«, sagte Pullinger hastig. Und er dachte erschrocken, wie er wohl aussähe, wenn er eine Behandlung wie Evans erführe, »Ich habe die Chefin angerufen und ihr Bescheid gesagt.«
»Und?« Die tiefe Stimme wurde drängender.
»Watt soll die Schicht übernehmen. Den kann jedes Kind aus dem Anzug pusten. Aber jedenfalls soll er die Vertretung übernehmen. Genau wie ich es gesagt habe.«
***
Revierdetective Steve Winston fuhr sich mit der fleischigen Hand über das volle Gesicht mit den Hängebacken und dem Doppelkinn. Er trug einen alten, ausgebeulten einreihigen Anzug mit Weste. Im Augenblick sehnte er sich nur nach seinem Bett. Er war seit dem frühen Morgen auf den Beinen, und gerade als er nach Hause gehen wollte, war noch die Geschichte mit dem Überfall gekommen. Das Revier war sowieso knapp daran mit Detectives, und Winston hatte nach einem kurzen Zögern beschlossen, dass er sich diesen Fall selbst ansehen wollte.
Irgendetwas an der Sache erregte seinen sechsten Sinn. Im Laufe von sechsunddreißig Jahren Dienst in der Kriminalabteilung bekam man jenes nicht zu beschreibende Gespür, das manchmal mehr wert war als alle Logik, wenn man sich auch nicht allzu sehr darauf verlassen durfte.
Winston hatte, sich in dem kleinen Zimmer umgesehen. Bevor sie Mac Evans zum Krankenhaus brachte, hatte er dessen Hosentasche ausgeleert. Einen Wohnungsschlüssel, eine Schachtel Streichhölzer und ein schmutziges Taschentuch. Ein bisschen wenig für einen Mann, dachte Winston.
Und dann war er trotz seines Gewichtes von zweihundertvierzig Pfund in die Knie gegangen. Und das hatte sich gelohnt. Er hatte eine restlos ausgeleerte Geldbörse gefunden. Winston schnaufte verächtlich.
Damit wollte man ihn hereinlegen? Mit einer ausgeleerten Geldbörse? Das hätte man vielleicht bei einem blutjungen Anfänger machen können. Überfälle dieser Art spielten sich nicht in den Wohnungen der Opfer ab. Raubüberfälle, bei denen man das Opfer halb tot schlug, kamen höchstens im Central Park und an einigen anderen dunklen Ecken dieser Riesenstadt vor. Aber nicht in der Wohnung.
Winston suchte weiter. Schließlich fand er die Cellophanhülle mit dem Führerschein von Mac Evans. Er hütete sich, sie zu berühren.
»Gebt mir mal das Fingerspurenbesteck aus meiner Tasche«, brummte er über die Schulter hinweg zu den beiden Streifenbeamten,
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