JFK - Staatsstreich in Amerika (German Edition)
Atomstreitkräfte unterhalten können und sich weigern zu kapitulieren, ohne vorher auf diese Streitkräfte zurückgegriffen zu haben. Er ist sinnlos in einem Zeitalter, in dem eine einzige Atomwaffe fast das Zehnfache an Sprengkraft aller Bomben aufweist, die von den gesamten alliierten Luftstreitkräften während des Zweiten Weltkrieges abgeworfen wurden. Und er ist sinnlos in einem Zeitalter, in dem die bei einem Atomkrieg freigesetzten tödlichen Giftstoffe von Wind und Wasser, Boden und Saaten bis in die entferntesten Winkel des Erdballs getragen und sich selbst auf die noch ungeborenen Generationen auswirken würden.«
Damit brachte er auf den Punkt, was sich nach der Atomeuphorie der 50er Jahre, als für den Notfall eines Nuklearangriffs die Aktentasche über dem Kopf und das Ducken unter den Schreibtisch empfohlen wurde (»duck and cover«), so langsam herumsprach: die nicht nur kurzfristige, sondern langfristige und großflächige Zerstörung organischen Lebens, die Atomwaffen mit sich bringen, und die Notwendigkeit, eine solche lebensfeindliche Katastrophe zu verhindern.
»Es ist heute, wenn der Friede gewahrt werden soll, unerlässlich, jedes Jahr Milliarden von Dollar für Waffen auszuwerfen, die lediglich zu dem Zweck geschaffen werden, sicherzustellen, dass wir sie niemals einzusetzen brauchen. Aber zweifellos ist die Anlage solcher unnützer Arsenale, die nur der Vernichtung und niemals dem Aufbau dienen können, nicht der einzige, geschweige denn der wirksamste Weg zur Gewährleistung des Friedens.«
Eine deutliche Absage an die Haltung, dass das Wettrüsten alternativlos ist und ein Gleichgewicht des Schreckens und der Aggression der einzig mögliche Weg, den Frieden zu bewahren. Der einstige kalte Krieger John F. Kennedy, der in seiner politischen Karriere durchaus und nicht selten für eine Aufrüstung des Waffenarsenals plädiert hat, machte klar, dass er sich von dieser Haltung verabschiedet hatte.
»Ich spreche daher vom Frieden als dem zwangsläufig vernünftigen Ziel vernünftiger Menschen. Ich bin mir bewusst, dass das Streben nach Frieden nicht so dramatisch ist wie das Streben nach Krieg – und oft treffen die Worte desjenigen, der nach Frieden strebt, auf taube Ohren. Und doch gibt es keine dringlichere Aufgabe für uns. Manche sagen, es sei zwecklos, von Weltfrieden, internationalem Recht oder internationaler Abrüstung zu sprechen – und alles sei nutzlos, solange die Führer der Sowjetunion keine aufgeschlossenere Haltung einnehmen. Ich hoffe, sie werden dies tun. Ich glaube, wir können ihnen dabei helfen. Aber ich glaube auch, dass wir unsere eigene Haltung überprüfen müssen – als Einzelperson und als Nation –, denn unsere Einstellung ist genauso wichtig wie die ihre.«
Der Historiker Arthur Schlesinger beschrieb diese letzte Bemerkung später als einen »geeigneten Satz, die gesamte amerikanischen Sicht des Kalten Kriegs zu revolutionieren«. 4 In der Tat wurde hier kein dumpfes Feindbild mehr propagiert, sondern der Projektionscharakter solchen Schwarz-Weiß-Denkens deutlich gemacht, das nur überwunden werden kann durch den Blick auf die eigene Haltung, durch kollektive und individuelle Selbsterkenntnis.
»Lassen Sie uns zunächst unsere Haltung gegenüber dem Frieden selbst überprüfen. Zu viele von uns halten ihn für unmöglich. Zu viele von uns halten ihn für nicht zu verwirklichen. Aber das ist ein gefährlicher, defätistischer Glaube. Er führt zu der Schlussfolgerung, dass der Krieg unvermeidlich ist, dass die Menschheit zum Untergang verurteilt ist, dass wir uns in der Gewalt von Kräften befinden, die wir nicht kontrollieren können.
Wir brauchen diese Ansicht nicht zu akzeptieren. Unsere Probleme sind von Menschen geschaffen, deshalb können sie auch von Menschen gelöst werden. Die Größe, die der menschliche Geist erreichen kann, bestimmt der Mensch selbst. Kein schicksalhaftes Problem der Menschheit liegt außerhalb der Reichweite des Menschen. Die menschliche Vernunft und der menschliche Geist haben oftmals das scheinbar Unlösbare gelöst – und wir glauben, dass sie dies erneut tun können.«
Im klassischen aufklärerischen Sinne Kants appellierte Kennedy an den Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen und die selbstverschuldete Unmündigkeit hinter sich zu lassen. Doch er blieb nicht bei einem sonntagsrednerischen Appell an die Kraft des Geistes, sondern wandte sich sogleich der Praxis, der Realpolitik zu:
»Ich spreche jetzt nicht von
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