JFK - Staatsstreich in Amerika (German Edition)
nicht die Augen verschließen – aber wir wollen auch unsere Aufmerksamkeit auf die gemeinsamen Interessen und auf die Mittel richten, durch die diese Differenzen beseitigt werden können. Wenn wir unsere Differenzen auch noch nicht ganz aus der Welt schaffen können, so können wir doch zumindest dazu beitragen, dass die Welt trotz Meinungsverschiedenheiten sicher bleibt. Denn letztlich bildet die Tatsache, dass wir alle Bewohner dieses Planeten sind, doch das uns im tiefsten gemeinsame Band. Wir alle atmen die gleiche Luft, uns allen liegt die Zukunft unserer Kinder am Herzen, und wir sind alle sterblich.«
Was hier sichtbar wird, ist eine unio mystica , eine allumfassende, ganzheitliche Sicht auf den Planeten und das Leben – das »tiefste gemeinsame Band«, das alle Menschen verbindet. Und von dieser weltumarmenden Einsicht kam der Präsident sofort wieder aufs Praktische, auf das »rote Telefon«, das er einrichten, sowie das Verbot oberirdischer Atomwaffentests, über das er mit dem »Feind« verhandeln wollte:
»Ein Schritt in dieser Richtung ist die vorgeschlagene Vereinbarung für einen direkten Draht zwischen Moskau und Washington, durch den auf beiden Seiten die gefährlichsten Verzögerungen, Missverständnisse und Fehldeutungen der Maßnahmen des anderen vermieden werden sollen, wie sie in einer Zeit der Krise leicht auftreten können. Wir haben ferner in Genf über andere erste Maßnahmen der Rüstungskontrolle gesprochen, die die Intensität des Wettrüstens bremsen und die Risiken eines durch Zufall ausgelösten Krieges verringern sollen. Unser wichtigstes langfristiges Interesse in Genf ist jedoch eine allgemeine und vollständige Abrüstung, die in Phasen stattfinden und gleichlaufende politische Entwicklungen beim Aufbau der neuen Institutionen des Friedens zulassen soll, die an die Stelle der Rüstungen treten. …
Ich benutze daher diese Gelegenheit, um zwei wichtige Entscheidungen in dieser Hinsicht bekanntzugeben. Erstens: Ministerpräsident Chruschtschow, Premierminister MacMillan und ich sind übereingekommen, dass in Kürze Erörterungen auf hoher Ebene in Moskau beginnen werden mit dem Ziel eines baldigen Abkommens über einen umfassenden Vertrag über die Einstellung der Kernwaffenversuche. Zweitens: Um unseren guten Willen und unsere feierliche Überzeugung in dieser Angelegenheit zu demonstrieren, erkläre ich hiermit, dass die Vereinigten Staaten nicht beabsichtigen, Kernwaffenversuche in der Atmosphäre durchzuführen, solange andere Staaten dies nicht tun …
Lassen Sie uns, meine amerikanischen Mitbürger, schließlich unsere Haltung gegenüber dem Frieden und der Freiheit hier im eigenen Lande überprüfen. Der Wert und der Geist unserer eigenen Gesellschaft müssen unsere Anstrengungen im Ausland rechtfertigen und sie unterstützen. … Aber wo immer wir sind, müssen wir alle in unserem täglichen Leben dem jahrhundertealten Glauben gerecht werden, dass Frieden und Freiheit Hand in Hand gehen. In zu vielen unserer Städte ist der Friede heutzutage nicht gesichert, weil die Freiheit unvollkommen ist.«
Einmal mehr wies Kennedy nicht mit dem Zeigefinger auf einen externen Sündenbock, sondern stellte die Überprüfung der eigenen Haltung, die Notwendigkeit der Selbsterkenntnis und der Selbstkritik in den Mittelpunkt. Und verwies auf die zumal im rassistischen Süden seines Landes noch immer dominierende Unfreiheit der nicht-weißen Bevölkerung:
»So wie wir uns um den Schutz unserer nationalen Interessen bemühen, so wollen wir auch die menschlichen Interessen schützen. Die Beseitigung des Krieges und der Waffen liegt eindeutig im Interesse des einen wie des anderen. Kein Vertrag, so sehr er auch zum Vorteile aller sein mag und so genau er auch formuliert sein mag, kann absolute Sicherheit gegen die Gefahren der Täuschung und der Umgebung bieten. Aber er kann – wenn er in seiner Durchführung nur wirksam genug ist und nur weitgehend genug im Interesse seiner Unterzeichner liegt – weitaus mehr Sicherheit bieten und weniger Risiken bergen als ein unvermindertes, unkontrolliertes und unberechenbares Wettrüsten.«
Es ist dies, da sind sich nahezu alle Historiker einig, eine der radikalsten Reden, die ein amerikanischer Präsident jemals gehalten hat. In fast schon poetischem Ton markiert sie Kennedys radikale Abkehr von der bestehenden Politik der Konfrontation und des Krieges und die Hinwendung zu einem neuen Zeitalter der Kooperation und des Friedens. Sie lässt die
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