Julia Extra Band 357
beurteilen, wie er seine Mutter behandelt.“ Oder seine Großmutter. Elizabeth war hin und weg.
„Ich freue mich so, dich zu sehen“, brachte Thomas schließlich mit vor Freude fast versagender Stimme hervor.
Die tiefe Liebe zwischen Großmutter und Enkel war unübersehbar. Die Tragödie in ihrer Familie hatten sie noch enger zusammengeschweißt. Elizabeth beneidete die beiden Menschen um ihre tiefe Verbundenheit.
Nun wandten sie sich ihr zu. Showtime, dachte sie und wünschte sich sehr, es wäre nicht so. Sie wünschte, sie wäre tatsächlich Thomas’ große Liebe, die er nun mit nach Haus brachte, damit seine geliebte Großmutter sie kennenlernen konnte.
„Du bist also Tommys Beth.“
Bevor Elizabeth sich versah, zog Nana Jo sie stürmisch an sich. Von Altersschwäche keine Spur! So hatte sie sich die angeblich gebrechliche über achtzigjährige Dame nicht vorgestellt.
„Ha … Hallo.“ Mehr brachte die völlig verblüffte Elizabeth nicht hervor, während Nana Jo sie fest an sich drückte.
„Vorsichtig, Nana Jo! Du erdrückst sie ja“, mahnte Thomas lächelnd.
Seine Großmutter lockerte den Griff und lachte vergnügt. „Tut mir leid, meine Liebe. Ich freue mich nur so sehr, dich endlich kennenzulernen. Tommy hat mir schon viel von dir erzählt.“
Sie tätschelte Elizabeth die Wange und machte dann einen Schritt zurück, um die Verlobte ihres Enkels eingehend zu mustern. „Allerdings muss ich gestehen, dass ich mir dich ganz anders vorgestellt habe.“
„Wie denn?“ Elizabeth warf Thomas einen beunruhigten Blick zu.
„Das weiß ich auch nicht so genau. Entschuldige, ich habe nur laut gedacht. Wie unhöflich von mir.“
„Kein Grund sich zu entschuldigen. Mir geht es ja mit Ihnen auch nicht anders“, gab Elizabeth zu.
„Sag bitte du“, bat Nana Jo. „Du bist viel kleiner, als ich dachte“, fügte sie verwundert hinzu, als ihr bewusst wurde, dass sie die Verlobte ihres Enkels um einen halben Kopf überragte. Lächelnd wandte sie sich Thomas zu. „Halt sie gut fest, mein Junge, sonst wird sie noch fortgeweht.“
„Das werde ich schon zu vermeiden wissen“, antwortete er amüsiert und sah Elizabeth so liebevoll an, dass ihr der Atem stockte. Dabei wusste sie doch, wen dieser Blick beeindrucken sollte.
Nana Jo schien jedenfalls zufrieden zu sein. „So, Kinder, nun kommt rein! Ich bin ja eine schreckliche Gastgeberin, euch hier auf dem Parkplatz zu überfallen.“ Sie zwinkerte Elizabeth durch die Gleitsichtgläser ihres roten Brillengestells zu. „Ich habe oben am Fenster nach euch Ausschau gehalten und konnte nicht warten, bis ihr klingelt. Hol das Gepäck aus dem Kofferraum, Tommy, und dann geht’s nach oben. Ich habe Eistee gemacht und Plätzchen gebacken.“
Erneut warf Elizabeth Thomas einen beunruhigten Blick zu. „Ich dachte, wir übernachten in einer Pension, Thomas.“
„Das tun wir auch.“ Mit einem entschuldigenden Lächeln wandte er sich seiner Großmutter zu. „Ich habe Zimmer im Daniels Cottage drüben in Edgewater gebucht, Nana.“
„Wir wollten keine Umstände machen“, erklärte Elizabeth.
„Umstände?“ Nana Jo winkte ungeduldig ab. „So ein Unsinn! Ihr schlaft natürlich hier. Ich habe genug Platz. Beth bekommt das Gästezimmer. Das Bett ist frisch bezogen.“
„Und wo soll ich schlafen?“, fragte Thomas gespielt unschuldig.
„Auf dem Sofa. Jedenfalls nicht bei Beth. In der Beziehung bin ich altmodisch.“
Wieder zwinkerte sie Elizabeth zu, die heftig errötete.
„Das ist wirklich sehr freundlich. Aber ich möchte Ihnen keine zusätzliche Arbeit machen. Außerdem hat Thomas die Zimmer ja schon reserviert.“
„Dann mache ich die Reservierung eben wieder rückgängig. Ich kenne Ned und Estelle aus der Kirche. Das ist überhaupt kein Problem.“
„Aber …“
„Keine Widerrede! Du gehörst jetzt praktisch zur Familie, Beth, und die Familie ist mir immer willkommen. Sag du es ihr, Tommy!“
Bevor Elizabeth weitere Einwände geltend machen konnte, sagte Thomas: „Lass es einfach! Gegen Nana kommt niemand an.“ Tröstend legte er einen Arm um ihre Schultern.
Sie hielt still, wie sie es versprochen hatte. Sich an ihn zu kuscheln hatte sie allerdings nicht versprochen, das geschah impulsiv. Sein Eau de Cologne duftete einfach zu verführerisch. Erst als sie spürte, wie Thomas sie leicht aufs Haar küsste, kam sie wieder zur Besinnung. Alles nur Show, dachte sie. Auch wenn sie sich zueinander hingezogen fühlten. Eine Beziehung würde
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