Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Fried
Vom Netzwerk:
geplant, sondern alle Häfen und schiffbaren Flußmündungen mit Wachposten und Befestigungen zu sichern gedacht, so daß kein eingedrungener Feind mehr entweichen könnte. Das klang mehr nach Planung als nach Realisation. Groß wird die fränkische Kriegsflotte in der Nordsee nicht gewesen sein. Unter Ludwig dem Frommen hört man auch nichts mehr von ihr.
    Wenige annalistische Nachrichten zeugen von einem fortschreitenden Interesse an den Machtkämpfen unter den Dänen. Hemming starb 812, die folgenden Thronkämpfe forderten viele Tote mit Einschluß beider Kandidaten. Durchsetzen konnten sich zwei Brüder, Harald und Reginfrid, die Karl um Frieden baten, der tatsächlich im folgenden Jahr an der Grenze geschlossen wurde. Erste Nachrichten über interne Auseinandersetzungen der dänischen Kriegereliten sickerten jetzt ins Frankenreich durch, auch daß die Söhne des Königs Gottfrid Asyl bei den Schweden (
Sueones
) gefunden hätten und von dort mit einem Heer gegen die Dänenkönige gezogen seien (ArF 813). Genauere Informationen über den Gegner, seine Ziele oder Motive fehlten aber auch jetzt. Die Abwehr stagnierte, die wenigen Grenzburgen, die Karl hatte errichten lassen, konnte der Gegner nur allzuleicht auf dem Meer umgehen. Eine fränkische Flotte scheint zu keiner Zeit gegen Wikinger ausgelaufen zu sein. Fasten und Gebete, kaum Rüstungen, keine Aufklärung über den Feind bestimmten fortan den Kampf gegen die Piraten, nur sporadische, keine systematischen Abwehrmaßnahmen finden sich erwähnt, kein Kapitular wandte sich explizit der Normannengefahr zu. Karl hatte in seinen letzten Regierungsjahren diese Bedrohung nicht dauerhaft bannen können.
    Die ‹Ursachenforscher› unter den Franken begriffen die Niederlagen durchaus als Züchtigungen des sündigen Volkes und als endzeitlicheWarnungen. So zeichneten es jedenfalls nachkarlische Zeugnisse. Auch Karl suchte gegen Ende seines Lebens vermehrt Zuflucht bei reichsweiten Fasten, bei allgemeinen Bußaktionen und Bittprozessionen[ 92 ]. Was war zu tun, wenn die Kapitularien nicht wirkten, wie es der Kaiser verlangte; wenn die Gesetze von den Grafen und Bischöfen mißachtet wurden? Böse Gerüchte kursierten, daß sich diese Herren bestechen ließen und dem Unrecht zum Durchbruch verhalfen.

7

Die Ordnung der Nachfolge
    ie Zeiten waren gefährlich», wie es der Evangelist verkündet hatte. Die apokalyptische Botschaft schien sich in der Gegenwart zu erfüllen. Endzeitliche Sorgen mehrten sich. Aufstände, Unfriede, Gefährdungen der Religion und Häresien, wohin manschaute; unter den Griechen, in Spanien, in Rom, im eigenen Reich. «Die Welt eilte ihrem Untergang entgegen»; untrügliche Zeichen kündigten ihn an[ 97 ]. Karl aber, der Kaiser, näherte sich dem Greisenalter. Er konnte, von den «
XII abusiva saeculi
» belehrt, wissen, daß ein König die gesamte Sündenfülle, die sich unter seiner Herrschaft in seinem Reich angehäuft hatte, im Jüngsten Gericht zu tragen hätte. Es schien leicht, ein Reich zu erobern, schwer, es zu erhalten, noch schwerer, es Gott wohlgefällig zu lenken. Wie also die Sündenfülle der Völker abtragen? Wie den Frieden retten, die Gerechtigkeit verbreiten, den rechten Glauben festigen, der Christenheit auch im Orient zur Seite stehen? Sein Tod würde, so entsprach es Karls eigener Erfahrung, Bürgerkriege verheißen. Konnte alles erneuert, gebessert, gestärkt, ausgeweitet werden? Die Antwort rief nicht nur nach Reformen in der Gegenwart, der Kaiser mußte Künftiges bedenken.
    Er war in Sorge um die Zukunft seines Reiches. Im Innern rief der aus Spanien noch immer andrängende Adoptianismus nach unermüdlicher Wachsamkeit. Der Bilderkult der Griechen grenzte an Idolatrie. Dem eigenen Frankenvolk mangelte es an Glaubensstärke; die Sachsen waren noch längst keine treuen Christen. Eben erst waren bei ihnen Bistümer gegründet und der Mainzer Kirchenprovinz eingegliedert worden[ 98 ]; noch aber gab es kein einziges Kloster unter ihnen, noch mangelte es an Reliquien. Auch die Awaren waren besiegt, doch der Ausbau und die Sicherung der fränkischen Macht und die Wiederverbreitung des Christentums in Pannonien steckten noch in den Anfängen. Missionare aus Aquileia, Salzburg, Passau und Regensburg konkurrierten um die Einbeziehungen des Landes in ihre Diözesen und hinderten sich wechselseitig.
    Die Kirchenordnung lag vielfach im argen, die geistliche Gerichtsbarkeit desgleichen, die Lebensführung der Kleriker erst recht. Die

Weitere Kostenlose Bücher