Kein Augenblick zu früh (German Edition)
ließen sie euch bisher in Ruhe.«
Und deshalb waren wir noch am Leben, sollte das wohl heißen.
Suki stampfte plötzlich mit dem Fuß auf. »Kann mir das jetzt endlich jemand in einfachem Englisch erklären? Ich kapier nämlich kein Wort. Kein einziges. Und das nervt mich gewaltig.«
»Sie wollen die Forschungsergebnisse von Lilas Vater haben«, erwiderte Alex, fast wie im Selbstgespräch. »Dadurch könnten sie vielleicht herausfinden, warum ihr so seid. Und Lilas Vater hilft ihnen dabei – ohne es zu wollen.«
»Stimmt«, nickte Demos. »Die Einheit wartet ab, bis Michael den genetischen Code geknackt hat, der uns zu dem macht, was wir sind. Für diesen Job gibt es praktisch keinen besser geeigneten Menschen. Er ist Experte für Kinderkrankheiten – vor allem für vererbbare.« Er schwieg eine Weile, während ich darüber nachdachte, was das alles bedeutete.
Es ging um das, was uns zu dem machte, was wir waren. Anscheinend war das genetisch bedingt, darüber schienen sich alle einig zu sein. Aber niemand wusste, wie viele Menschen dieses Gen hatten – oder in wie vielen Leuten es aktiv war. Ich hatte es, aber Jack nicht – warum das so war, blieb ein Geheimnis. Dad musste ja nur unsere Gencodes vergleichen … Vielleicht hatte er den Code schon geknackt?
»Und mehr als irgendein anderer Mensch auf der Welt hat Michael einen Grund, die Antwort herauszufinden«, fuhr Demos fort. »Und die Einheit muss ihn dafür nicht mal bezahlen.«
»Und was dann?«, fragte ich. »Sie warten, bis er ein Medikament entdeckt oder was zum Henker er macht, und dann stehlen sie ihm die Formel? Das kapiere ich nicht. Sie wollen doch gar kein Heilmittel – sie wollen auch nicht das Gen zerstören, sondern sie wollen es sogar selbst erzeugen oder kopieren! Sie wollen noch mehr Leute wie uns erschaffen, als menschliche Waffen!«
»Für die Forschung spielt das keine Rolle«, sagte Alex gedankenverloren. Ich konnte förmlich sehen, wie er abzuschätzen versuchte, in welch schlimme Lage wir jetzt wieder gerieten. »Um etwas zu heilen – oder zu nutzen, muss man verstehen, wie es funktioniert. Dein Vater ist überzeugt, dass er mithilft, die Sache in Ordnung zu bringen. Aber eigentlich hilft er mit, alles nur noch schlimmer zu machen.«
»Warum hast du Dad nicht davon abgehalten, wenn du doch wusstest, dass die Einheit nur seine Arbeit stehlen will?«, schrie ich Demos an.
» Wie hätte ich das tun sollen?«, fragte er ruhig.
»Äh«, sagte ich und schaute ihn an, als sei er senil, »hast du denn nicht gewisse feine Fähigkeiten? Die wären doch ganz nützlich gewesen, oder nicht?«
Demos verdrehte nur die Augen. »Ich hätte ihm also auf Schritt und Tritt folgen und ihn jedes Mal, wenn er mit seinen Arbeiten anfing, in Starre versetzen sollen? Ich habe auch anderes zu tun. Abgesehen davon – er ist überzeugt, dass ich deine Mutter ermordet habe. Was meinst du wohl, wie geduldig er mir zugehört hätte?«
Ich starrte ihn wütend an. Auch ich wollte ihm nicht mehr zuhören. Schließlich sprang ich auf und lief auf zittrigen Beinen aus dem Zimmer.
10
Alex ließ sich neben mir in den Sand fallen, aber mit gut einem Meter Abstand. Wie ich saß er mit angezogenen Beinen, die Arme um die Knie gelegt. Schweigend beobachteten wir den Sonnenuntergang am Horizont. Der Strand war menschenleer. Ich spielte mit dem Lederband an meinem Handgelenk. Nach einer Weile rutschte ich ein bisschen näher, sodass ich den Kopf an seine Schulter legen konnte.
»Ich kann es nicht glauben, dass mein Vater die ganze Zeit an dieser Sache gearbeitet hat«, murmelte ich.
Alex schwieg.
»Und ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Dass er versucht, mich zu heilen. Ich will doch gar nicht geheilt werden, Alex! Schließlich bin ich weder krank noch verrückt.«
Ein leichtes Lächeln spielte um seinen Mund. »Über Letzteres könnte man sich durchaus streiten.«
Ich schleuderte eine Handvoll Sand in seine Richtung, und er ließ sich nach hinten fallen und zog mich mit sich. Nebeneinander auf dem Rücken liegend schauten wir in den purpurroten Abendhimmel.
»Warum ist mein Vater in die Staaten zurückgekommen?«
»Aus demselben Grund, aus dem du ins Camp zurückgehen willst. Versuche ich dir schon dauernd klarzumachen – wenn du jemanden liebst, hast du keine andere Wahl.«
Mir kamen die Tränen und ich wandte den Kopf ab, damit er sie nicht sah.
»Wahrscheinlich sollte ich mich bei Demos entschuldigen, weil ich so wütend aus dem
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