Keiner wie er (German Edition)
zurück, hatte es überstanden und musste sich jetzt jener Realität stellen, deren Entstehen er selbst einst forcierte. Und so respektierte Daniel ihren Entschluss.
Ein glatter Bruch. Ähnlich, wie auch er ihn vollzog. Im Grunde fügte sich alles nach seinen Plänen.
Deshalb suchte er nicht nach ihr, stellte keinen Kontakt her oder erkundigte sich auch nur, wie es ihr ging. Gehörte sie doch der Vergangenheit an, Schnee von gestern, lange vorbei, nur noch ein Traum, wenn es überhaupt jemals mehr gewesen war.
Eine weitere Lektion, in Afrika verinnerlicht:
Das Leben konnte so verdammt schnell vorbei sein. Es ergab keinen Sinn, sich mit Dingen herumzuschlagen, die längst keine Rolle mehr spielten.
* * *
Trotz herber Enttäuschung der Eltern, legte Daniel keinen langen Urlaub ein, denn ihm ging schnell auf, dass er Ithaka noch immer nicht ertragen konnte.
Das Wiedersehen mit Fran und Tom fiel herzlich, witzig und unhöflich wie üblich aus. Doch auch in den Köpfen der beiden lebten jede Menge Fragen, die sie nicht zu stellen wagten. Ebenso erging es Jonathan und Edith und nicht zuletzt ihm selbst. Dieses stetig lauter werdende Schweigen nervte Daniel und störte sein Vergessen akut.
Allein deshalb verließ er bereits eine Woche nach seiner Rückkehr erneut die Stadt. Und diesmal für immer.
Sehr weit entfernte er sich aber nicht. Die Fahrt dauerte nur ungefähr zwanzig Minuten.
Und ein weiteres Mal behielt sein Vater Recht. Ohne die geringsten Schwierigkeiten fand Daniel einen guten Job und begann an einer eher kleinen, renommierten Privatklinik als einfacher Assistenzarzt. Es war Zufall, dass er genau hier strandete, wenngleich sich alte Bekannte trafen.
Bereits nach drei Jahren brachte er es zum Chefchirurgen. Miller, der Besitzer der Klinik und enger Freund Jonathans, engagierte sich als einer der wenigen Ärzte seit Jahren für die ÄOG. Und als der in den Ruhestand ging (natürlich, um sich ausschließlich 'ihrer' Sache zu widmen), bot er dem zu diesem Zeitpunkt dreißigjährigem Daniel die Übernahme der Klinik an.
Das Angebot klang zu gut, um es auszuschlagen. Die beiden Männer einigten sich darauf, den Namen des Instituts beizubehalten und dessen Übernahme nicht an die große Glocke zu hängen. Das lag ganz in Daniels Sinn. Niemand vermutete ihn hinter dem 'Miller-Healthy-Institute'. Denn er wollte keineswegs mit seinem Vater in Verbindung gebracht werden. Den guten Ruf erwarb er sich immer noch selbst.
Millers Vermächtnis wurde fortgeführt. Ein weiterer Bestandteil des Übernahmevertrages. Allerdings hätte es zumindest dieser Klausel nicht bedurft, seine Lektion hatte Daniel gelernt.
In jener wunderbaren Klinik, wo man älteren Damen aus höchsten Kreisen die Falten straffte und bereits der eine oder andere Senator seine Leberbeschwerden kurieren ließ, befand sich auch eine kleine, eher unbekannte Station. Hier wurden all jene behandelt, die sich keine ärztliche Behandlung leisten konnten.
Genau wie Miller war auch Daniel bekannt, dass die Hilfe vielmehr symbolischen Charakter besaß. New York beherbergte zu viele bedürftige Menschen, um alle versorgen zu können. Dennoch schlief man nachts ein wenig ruhiger.
Urlaub existierte für ihn nicht.
Jene sechs Wochen, welche dafür normalerweise vorgesehen sind, verbrachte er in der Dritten Welt und half, an der fatalen Situation etwas zu ändern. Aber je öfter er erschöpft, müde und desillusioniert zurückkehrte, desto mehr stieg seine Unzufriedenheit.
Dies stellte zwar einen guten, jedoch keinen sehr effektiven Weg dar. Selbst wenn Daniel seine Zelte in New York abbrach und ausschließlich dort arbeitete, würde das trotzdem nichts an dem Dauersterben ändern.
Als ihn die WHO anwarb, sagte er sofort zu. Eine reine Beraterfunktion, ehrenamtlich, sicher, doch er hoffte, endlich etwas zu bewegen. Der Erfolg ließ derzeit noch auf sich warten. Weil diesen elenden Arschlöchern, die sich Ärzte schimpften und soweit er wusste, alle dem Hippokratischen Eid verpflichtet waren, das Schicksal einiger verreckender Schwarzer eben scheißegal war.
Die zahlten nämlich so selten.
Arme Menschen besaßen nun einmal keine Lobby. Nur zu gut kannte Daniel das Problem. Auch er benötigte die zahlungskräftigen, gut situierten Patienten, um seine Klinik und all die kleinen, eher unbekannten Projekte am Laufen zu halten. Nicht zuletzt verdiente er damit seinen Lebensunterhalt und zahlte die Kreditraten an Miller. Doch diese Ignoranz machte ihm
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