Klebstoff
aber er konnte sie nicht ansehen, denn er war mit der Antwort ebenso unzufrieden, wie sie es sicherlich sein würde. Stattdessen beugte er sich herunter und küsste seine kleine Tochter auf die Wange.
Aufblickend fragte er sich laut: – Wo steckt Andrew? Er schaute kurz zu Susan. Susan wandte sich mit säuerlicher Miene ab. Er versteckte sich wieder, versteckte sich hinter den Kleinen. Davie schob sich mit der verhaltenen Vorsicht eines Soldaten im Schützengraben, der die Scharfschützen fürchtet, in den Flur.
– Andrew, rief er. Sein Sohn kam polternd die Treppe runter, ein drahtiges, agiles Energiebündel mit dem gleichen dunkelbraunen Haar wie Susan, aber zu einem minimalistischen Mecki geschoren, und folgte Davie ins Wohnzimmer. – Da haben wir ihn ja, kündigte er ihn Susan fröhlich an. Als er merkte, dass sie ihn mit Nachdruck ignorierte, wandte er sich an den Jungen und fragte:
– Gefällt’s dir oben in deinem neuen Zimmer noch?
Andrew sah erst zu ihm und dann zu Susan hoch. – Ich hab ein Buch gefunden, dass ich noch gar nie hatte, teilte er ihnen ernst mit.
– Das ist fein, sagte Susan, ging zu ihm und pflückte einen losen Faden vom gestreiften T-Shirt des Jungen.
Andrew sah zu seinem Vater hoch und fragte: – Wann krieg ich ein Fahrrad, Dad?
– Bald, Junge, lächelte Davie.
– Du hast gesagt, wenn ich in die Schule komm, sagte Andrew mit großem Ernst und heftete in einer abgemilderten Variante von Susans vorwurfsvollem Blick seine großen braunen Augen auf ihn.
– Hab ich, Partner, gab Davie zu, – und es dauert auch nich mehr lang.
Ein Fahrrad? Wo soll das Geld für so ein verdammtes Fahrrad herkommen? dachte Susan Galloway, und es fröstelte sie innerlich, während die grelle, glühend heiße Sommersonne erbarmungslos durch die riesigen Fenster knallte.
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Terry Lawson
DER ERSTE SCHULTAG
Terry und Yvonne Lawson saßen mit Saft und Kartoffelchips an einem der Holztische auf der betonierten Fläche hinter dem Dell Inn, die sie Biergarten nannten. Sie guckten über den Zaun am Ende des Hofes die steile Uferböschung hinab und beobachteten die Enten im Water of Leith. Innerhalb von Sekunden war aus ehrfürchtigem Staunen Langeweile geworden; an Enten hat man sich bald satt gesehen, und Terry hatte andere Dinge im Kopf. Es war sein erster Schultag gewesen, und der hatte ihm nicht gefallen. Yvonne war im nächsten Jahr dran. Terry sagte ihr, es wär nicht so toll gewesen, und er hätte Angst gehabt, aber jetzt waren sie bei ihrer Ma, und ihr Dad war auch da, und es war alles wieder in Ordnung.
Ihre Eltern redeten miteinander, und sie wussten, dass ihre Ma sich ärgerte.
– Also, hörten sie, wie sie ihn fragte, – was hast du mir zu sagen?
Terry sah zu seinem Vater hoch, der ihm lächelnd zuzwinkerte, bevor er sich wieder an die Mutter des Jungen wandte. – Nich vor den Kindern, sagte er kühl.
– Tu bloß nich so, als läg dir was an ihnen, pflaumte Alice Lawson ihn an, und ihre Lautstärke schwoll unerbittlich an, als würde ein Düsenflugzeug starten, – hast ja auch nich lang gefackelt, sie sitzen zu lassen! Tu bloß nich so!
Henry Lawson warf einen schnellen Blick in die Runde, um zu sehen, wer das mitgekriegt hatte. Ein neugieriges Glotzen beantwortete er, indem er so lange hartnäckig zurückstarrte, bis der andere wegguckte. Zwei alte Ficker, ein Ehepaar. Lästige alte Scheißer. Durch die Zähne hindurch zischte er ihr zu: – Ich hab doch gesagt, für die wird gesorgt sein. Das hab ich dir scheißnochmal gesagt. Verdammt, meine eigenen Blagen, blaffte er sie an, und die Sehnen in seinem Nacken traten hervor.
Henry wusste, dass Alice immer dazu neigte, das Beste von einem Menschen zu denken. Er meinte, genug unterdrückte Empörung, genug gekränkte Unschuld in seine Stimme legen zu können, um mitschwingen zu lassen, dass ihre Unverschämtheit zu weit ging, wenn sie behauptete, er (trotz all seiner Fehler, die er sicherlich als Erster zugeben würde) wäre imstande, seine eigenen Kinder mittellos zurückzulassen, selbst wenn er ihr zugute hielt, dass beim Auseinanderbrechen einer Beziehung immer die Emotionen hochkochen. Tatsächlich waren es genau solche Behauptungen, die ihn Paula McKay, einer jungen Dame aus der Gemeinde Leith, praktisch in die Arme getrieben hatten.
Der reizenden Paula, einer jungen Frau von großer Tugend und Herzensbildung, was beides mehrfach von der verbitterten Alice in Frage gestellt worden war. War Paula nicht die einzige
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