Eroberer des Alls
1
Als Ed McCauley noch ein sehr junger Offizier war – gerade zum Oberleutnant befördert –, war die Raumfahrt auf Roboter beschränkt. Sie leisteten gute Arbeit, aber das genügte nicht. Jetzt war die Zeit gekommen, da ein Mensch ins All fliegen sollte. In diesem Frühstadium der Raumfahrt meldete sich McCauley freiwillig.
*
Oberleutnant Ed McCauley schlug die Augen auf, betrachtete die Zimmerdecke und fragte sich, weshalb ihm dieser Morgen um so vieles verheißungsvoller und wichtiger vorkam als jeder andere zuvor. Er hatte gut geschlafen, obwohl er sich unklar erinnerte, daß er lange wachgelegen hatte. Das Sonnenlicht drang durch die Schlitze der Jalousie, die Wände waren blaßgold, er selbst lag auf einem Feldbett, und seine Uniform hing säuberlich gefaltet über einer Stuhllehne. Dann hörte er Stimmen, das Klirren von Porzellan, und plötzlich kam ihm zu Bewußtsein, wo er war, und weshalb dieser Tag so wichtig war.
Heute war der Starttag. Der Raketenstart. Es würde keine aufsehenerregende Angelegenheit sein, mit einem mehrstufigen Giganten, der so hoch gen Himmel strebte, daß man seine Spitze nicht erkennen konnte, ohne sich den Hals zu verrenken. Es würde keine riesenhaften Abschußrampen um einen schlanken, doch unheimlichen Flugkörper geben, kein Gewirr von Drähten, die die Leistungen von Tausenden von Einzelteilen registrierten, von denen jedes einzelne perfekt funktionieren mußte, damit das Gesamtergebnis brauchbar war. Selbst die elektrischen Leitungen mußten alle detachiert sein, wenn die Rampen ein paar Sekunden vor Ende des Countdowns wegrollten.
Nein. Dieser Start würde eine nüchterne Sache sein, nicht einmal die Presse war zugelassen. Kameraleute von der Armee würden alles filmen, und wenn es klappte, dann würde es erst nachher einen Wirbel geben; wenn es nicht klappte, würde es nicht viel ausmachen. Diesmal hatte niemand die Publicity-Trommel gerührt. Niemand würde enttäuscht sein, wenn es schiefginge. Der einzige Mensch, dem es etwas bedeuten würde, wäre Oberleutnant Ed McCauley, und auch dessen Gefühle würden nicht allzusehr strapaziert sein. Er würde nämlich gar nichts mehr fühlen.
Er würde tot sein.
Einen Herzschlag lang dachte er an diese Möglichkeit, aber wenn man so jung ist wie Oberleutnant McCauley, dann ist der Tod etwas, das nur andere treffen kann.
Er setzte sich auf und schwang seine Füße über den Bettrand. Er fühlte sich etwas erleichtert. Natürlich war es aufregend, an das zu denken, was für heute auf dem Programm stand, aber ihm war gar nicht feierlich zumute. Er stand auf und betrachtete sich in dem kleinen viereckigen Spiegel über dem Waschbecken. Er sah genauso aus wie immer. Er fühlte sich auch genauso – na ja, vielleicht ein bißchen wacher und lebendiger als sonst; denn er hatte so sehr befürchtet, daß irgend etwas geschehen könnte, um den Start zu verhindern. Aber alles war in Ordnung – bis jetzt.
Er warf sich ein Handtuch über die Schulter und ging zum Duschraum. Unter der Dusche stehend, dachte er über die Aussichten nach. Das Wetter würde keine Schwierigkeiten machen. In dieser Gegend gab es nur wenig Wolkenbildung, und mit einer sichtbehindernden Wolkendecke war kaum zu rechnen. Plötzlich überfiel ihn die Lust, laut zu singen, aber er beherrschte sich. Man sollte ihn nicht für einen Angeber halten.
Die Tür des Duschraums öffnete sich, und jemand kam herein.
»He, Nationalheld! Bist du's?« Das war Randys Stimme, ein wenig spöttisch.
»Niemand außer uns Pfarrerstöchtern, Chef«, antwortete McCauley fröhlich. »Von Helden keine Spur.«
Randy grunzte.
»Wie fühlst du dich, Ed?«
»Naß«, sagte McCauley. Er drehte die Dusche zu und rieb sich trocken. Als er zum Vorschein kam, sah Randy ihn besorgt und forschend an.
»Nix da«, sagte McCauley. »Der Verurteilte freut sich auf die Henkersmahlzeit. Mach dir keine Sorgen um mich, Randy.«
»Wenn du wenigstens auf der Seife ausgerutscht wärst und dir deinen miesen Hals gebrochen hättest«, klagte Randy, »dann hätte jemand anders endlich auch eine Chance bekommen!«
McCauley grinste. Randy würde seine Seligkeit dafür hingeben, heute an seiner Stelle zu sein. Jeder dachte so. McCauley hatte immer noch die Befürchtung, daß selbst jetzt noch etwas dazwischenkommen könnte, aber das fürchtete er schon seit Monaten. Er war nervös gewesen, seit zum erstenmal das Gerücht laut wurde, daß in naher Zukunft einer von ihnen in einer Rakete
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