Klotz Und Der Unbegabte Moerder
unmissverständliche Antwort. Während er zu dem Haufen torkelte, öffnete er seinen Hosenschlitz. Verdammt noch mal, was war das da unter seinen Füßen? Scheiße, verdammt noch mal!
Er rutschte aus, strauchelte, direkt in den Misthaufen hinein, gerade in dem Moment, in dem er lospinkeln wollte. Jetzt drückte er eine Hand gegen den stinkenden Berg, um wieder aufzustehen, und wunderte sich, als er Papier spürte. Er blickte auf die Hand, auf das Blatt darunter, las »Lehman Brothers« und lachte kurz auf.
Das war doch alles Mist hier, in jeder Beziehung. Jetzt roch er nicht nur nach Kneipe, Bier und Männerschweiß. Nein, das edle Parfum frischer Jauche klebte an ihm und verlieh seiner olfaktorischen Aura eine ganz besondere Note. Klasse! Er wusste selbst nicht warum, aber mit einem Mal fühlte er sich an einen Tag im Dezember erinnert.
Gedankenverloren starrte er hinüber auf den Durchlass zwischen Kirche und HypoVereinsbank. Es dauerte eine Weile, bis ihm auffiel, dass da neben einem Baugerüst ein hellblaues Dixi-Häuschen stand, und er beschloss, sein Glück dort zu versuchen.
Als er auf Höhe der HypoVereinsbank angelangt war, bemerkte er etwas am Rand seines Wahrnehmungsfelds. Etwas, das ihn an seine Profession als Ermittler erinnerte. Etwas, was er nicht ignorieren konnte. Er wandte sich nach rechts, sein Blick war suchend. Suchte das, was er gerade wahrgenommen hatte, wahrzunehmen geglaubt hatte. Er wünschte durchaus, dass sein Erkennen hier bloß konjunktivischer Natur gewesen wäre. Aber als er das Blut sah, das zwischen den Bodenplatten und einem Arkadenpfeiler der Bank klebte, wusste er, dass ihn die Realität eingeholt hatte.
Er trat näher. Zuerst sah er nur den Absatz eines umgestürzten Schuhs. Dann den dazugehörigen Fuß, darüber die Unterschenkel, die gekreuzt waren. Die Zehen des freiliegenden Fußes bedeckten die Achillesferse des anderen. Allein dieser nackte Fuß, dachte Klotz, allein dieser Fuß war so voller Anmut, so zerbrechlich und schön, dass er sich überwinden musste, weiter nach oben zu sehen. Über diese Knie, den schwarzen Minirock, die Hüften, die dieser bedeckte, bis hin zur Taille.
Und plötzlich war er sich seines eigenen Anblicks bewusst. Wie er da stand, stinkend vor Jauche und Dreck, mit fettigem Haar und einem Bart, der seit Tagen schon keine Rasierklinge mehr gesehen hatte. Und er wusste nicht, was er empfinden sollte.
Dieses Haar, dieses volle, blonde Haar, das nach hinten gefallen war, sich in alle Richtungen verströmte wie ein Fluss, der in einem Delta auslief, hinein in ein Meer, aus dem es kein Zurück mehr gab. Er sah diese wunderbaren Arme seltsam gekrümmt auf dem Boden liegen. Die Hand, geöffnet, so als würde sie darauf warten, dass man sie ergriff.
In den Augen hing ein Schleier, den Klotz sehr gut kannte, und aus dem Rücken ragte die metallene Spitze eines Pfeils, dessen Schaft zwischen den Brüsten steckte und den steinernen Boden berührte.
Wenn er nicht schon seit zweieinhalb Jahren Nichtraucher gewesen wäre, dann hätte er sich jetzt eine angesteckt.
Da war etwas, was er nicht begriff. Was er nicht begriff und gleichzeitig absolut verstehen konnte. Auf dem ausgestreckten Unterarm und dem Hals der Leiche lag eine rote Rose, die offensichtlich zu dem Rosenstrauß gehörte, der im geronnenen Blut neben der Toten lag.
Plötzlich tat Klotz etwas, was allen Regeln widersprach, die er jemals gelernt hatte. Ob es am Restalkohol lag oder an dieser sentimentalen Rührung, die er empfand? Er wusste es nicht, er stellte sich noch nicht mal die Frage. Er beugte sich kurzerhand nach vorn und griff nach der Rose, die auf der jungen Frau lag. Mit seinen groben Fingern strich er über die Blüten. Einige Blätter fielen hinab, fielen nach unten, fielen ins Blut. Er sah nur noch rot, ein dunkles, geronnenes Rot.
Dann Blau, das mit einem Mal unter den Arkaden einschlug. Ein flackerndes, unstetes Blau, das dem Gesicht der Toten irgendwie seine Würde nahm. Das die zärtliche Stille dieses Gesichts mit Kälte und Sachlichkeit überzog.
Er hörte aufgeregte Rufe. Er drehte sich nicht um, er wusste, was los war. Der Misthaufen. Natürlich hatte ein aufmerksamer Anwohner gleich bei der Polizei angerufen. War doch logisch. Doch Klotz hatte keine Lust auf Logik. Er konnte und wollte sich nicht losreißen von dieser wunderbaren Leiche. Er wollte weiter um ihre außergewöhnliche Schönheit trauern.
»Was machen Sie hier?«
Klotz spürte eine Hand auf seiner
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