Kommissar Morry - An Alle Gesucht wird Moerder
Anstaltskleidung an den Körpern klebte. Während Dr. Steenlunds Hirn keiner klaren Überlegung mehr fähig war, jagten sich hinter Eric Shannons Stirn die Gedanken.
„Wir müssen es jetzt versuchen!“ brach es gequält über seine spröden Lippen.
Im gleichen Augenblick schon schnellte sein Körper auf die Beine. Seine Hände ergriffen die feuchte Kleidung Dr. Steenlunds.
„Kommen Sie, Doktor! Die letzten fünfzig Meter werden wir auch noch schaffen!“
In verzweifelter Anstrengung jagten sie los. Kaum lagen einige Schritte hinter ihnen, geisterte ein Lichtkegel heran. Mit geringem Abstand wanderte er langsam hinter den wankenden Männern her, streifte sie und packte sie jäh. Ein Schrei, ein Befehl gellte auf, der ihnen das Blut in den Adern vor Schreck erstarren ließ.
„Achtung! Alle Scheinwerfer schwenken. Sie halten dort links auf den Wald zu!“
Augenblicklich wurde die angegebene Stelle von gleißendem Licht überflutet. Unbarmherzig hielten zwei Dutzend Scheinwerfer die sich weiter vorwärtskämpfenden Flüchtenden fest. Halb irrsinnig vor Verzweiflung hetzten Dr. Jules Steenlund und Eric Shannon auf den Wald zu. Sie hörten nicht den schneidenden Befehl: „Stehenbleiben! Wir schießen!“
Eric Shannon biß knirschend die Zähne aufeinander. Mit einem harten Ruck riß er den taumelnden Doktor wieder hoch und schleuderte ihn zu dem wenige Meter vor ihnen liegenden Waldrand hin. Steenlund brach durch ein niedriges Gebüsch und blieb dort halb betäubt liegen.
Mit einem Hechtsprung wollte Eric Shannon hinterher setzen. Schon wirbelte sein muskulöser Körper wie von einer Sehne abgeschnellt durch die Luft, als ein harter Schlag ihn von hinten traf. Unterhalb seines rechten Schulterblattes fraß sich etwas Glühendes in seinen Körper. Ein zweiter heißer Strahl zog an seiner linken Hüfte entlang. Schwer schlug Eric Shannons Körper auf den Boden. Er verlor jedoch keinen Moment die Besinnung. Mit den Händen versuchte er den Zweig eines Strauches zu erfassen. Ein panischer Schreck durchzuckte ihn. Sein rechter Arm gehorchte nicht mehr seinem Willen. Obwohl Eric Shannon die Ursache hierfür genau ahn= te, fühlte er nicht den geringsten Schmerz. Nur ein heißes Brennen zog durch seine Brust, sonst nichts.
Blitzschnell reagierte er und schob seinen linken Arm vor. Wie ein Tier kroch er in das Dickicht. Hinter einem dicken Baum hielt er keuchend inne und blieb erschöpft liegen. Während Salve auf Salve neben und über ihm einschlug und Querschläger in das Unterholz pfiffen, vernahm er ein Rascheln. Bevor Eric Shannon dem auf allen vieren auf ihn zukriechenden Doktor eine Warnung zurufen konnte, schüttelte ihn ein heftiger Hustenanfall. Er spürte Blut in seinem Munde. Das hinderte ihn daran, Dr. Jules Steenlund zu veranlassen, ebenfalls hinter einem Baum Deckung zu suchen.
Da tauchten auch schon die verzerrten Züge des Doktors vor ihm auf. Entgeistert blickten ihn zwei tiefliegende Augen an. Eric Shannons Herz zog sich gequält zusammen. In diesem Augenblick wurde ihm klar, daß hier an dieser Stelle seine Flucht und auch sein Leben zu Ende gehen sollten. Trotzdem versuchte er sich zu beherrschen. Er wollte lächeln, aber seine Gesichtszüge zeigten grausiges Entsetzen.
„Was ist mit Ihnen, Shanon?“ vernahm er die brüchige Stimme des Doktors. Eric Shannon antwortete nicht sofort. Er spähte zur Anstalt zurück, lauschte angestrengt und rechnete sich aus, wieviel Zeit ihm noch bleiben würde, bis die Häscher ihn fänden. — Vieles hätte Eric Shannon Dr. Jules Steenlund noch zu sagen gehabt. Er wußte nicht, warum er in den letzten drei Wochen, seitdem sie die gleiche Zelle in Dartmoor geteilt hatten, noch kein Wort darüber gesprochen hatte. Anfangs hatte Eric Shannon zwar die Absicht gehabt, dem sympathischen Doktor den wahren Sachverhalt über den Fall zu berichten, der sie beide nach Dartmoor gebracht hatte. Doch dann kamen ihm Bedenken. Weshalb sperrte man ihn bereits sechs Monate nach der Aburteilung in eine Zelle mit diesem Manne?
Wollte man sie zu Gesprächen über ihren Fall veranlassen und Sie belauschen?
Eric Shannon konnte sich keine Antwort darauf geben. Deshalb hatte er geschwiegen.
Jetzt aber mußte er reden. Selbst auf die Gefahr hin, wertvolle Sekunden zu verlieren. Sekunden, die für das weitere Gelingen der Flucht des Doktors von ausschlaggebender Bedeutung sein konnten. So faßte er seine Erklärungen so kurz wie möglich:
„Doktor, auf mich müssen Sie von jetzt
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