Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kopernikus 5

Kopernikus 5

Titel: Kopernikus 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Alpers
Vom Netzwerk:
Sereno von der Funkereinheit des Stützpunktes.
    Sereno war eingeladen, sagte Scott, weil er dauernd Heimweh hat. Er kam im Arbeitsoverall, aber selbst in diesem ausgebeulten Schlotteranzug war er noch so drahtig, daß es aussah, als wäre er an einem Ort aufgewachsen, wo die Schwerkraft außer Kraft gesetzt war. Scott hatte Mitlid mit ihm, weil seine Augen immer feucht waren – man hat schon gehört, daß er weinend zusammenbrach, während er Piloten im Einsatz irgendwelche Fluginformationen übermittelte. Urlaub nimmt er nicht, und gewöhnlich meldet er sich freiwillig zum Wochenenddienst, weil er glaubt, daß er so genug Urlaub sammelt, um die letzten zwei von seinen zwanzig Dienstjahren zu Hause verbringen zu können. Niemand kann ihm klarmachen, daß der Urlaub in dem Jahr, in dem er aufgelaufen ist, genommen werden muß, weil er sonst gänzlich verfällt – er sagt, sein hingebungsvoller Einsatz wird ihn von dieser Regelung befreien. Seine Einsatzfreude und sein weinerliches Aussehen haben ihn auf dem Stützpunkt ziemlich unbeliebt gemacht. Er ist gerade 24, aber seine Stimme klingt wie das Zischen einer Bisamratte – einer Bisamratte, die ihren mageren Kopf einen oder zwei Zoll aus dem Wasser streckt, in dem sie schwimmt.
    Mein Wohnwagen war gedrängt voll, Malcolm. Der Boden bebte, wenn jemand sein Gewicht verlagerte oder den „Gang“ hinunter zum Bad torkelte. Von allen Piloten wollten nur Scott und ich wirklich Poker spielen – deshalb mußten wir Yeşar und Sereno zu uns an den Tisch beordern. Unsere Kollegen standen in der „Küche“, Gläser in den Händen, und tauschten Kriegsgeschichten aus. Scott ist der einzige von uns, der nicht in Korea gewesen ist – alle anderen waren damals Kampfflieger gewesen auf der F-4F.
    Es fiel mir schwer, mich auf meine Karten zu konzentrieren, denn eine F-84-Kriegsgeschichte kann man nicht erzählen, ohne mit den Händen herumzusausen und Motor- und Maschinengewehrgeräusche zu machen.
    L verschüttete dauernd seinen Drink, holte sich einen neuen und verschüttete ihn wieder – weil er mit der Rechten besser manövrieren konnte und weil es seiner Linken immer wieder mißlang, den Kanonen seiner Rechten auszuweichen. T zeigte allen, wie er einmal unter einer nicht vorhandenen Brücke über den Ya-lu-Fluß hinweggeflogen war, während B und LK Daumen an Daumen Überrollmanöver in Präzisionsformation ausführten. Das ging lange Zeit so, und sie wurden dabei immer lauter und immer heldenhafter. Ich habe dasselbe auch schon gemacht, Malcolm – es ist eine Spannungslösende Kameraderie, in der jeder Mann beinahe ebenso allein ist, wie er es in 70000 Fuß Höhe in einer silberblauen U-2 wäre. Aber Gott mischt sich in dieses Handgesause in geschlossenen Räumen nicht ein, und man kann noch am Steuerknüppel seine Drinks schlürfen. (Deshalb brauchen wir einen Offiziersclub auch dringender als eine Kirche.)
    Dieses Gerede von Schnaps und Maschinengewehren erinnert mich daran, daß es Doozie nicht gefallen würde. Wenn Du diesen Brief gelesen hast, Mal, möchte ich, daß Du ihn verbrennst. Lies ihn noch einmal, wenn Du willst – lies ihn drei- oder viermal –, aber wenn Du fertig bist, lege diesen Brief unten in Deinen Blechpapierkorb und zünde ihn an. Wenn Du den Brief verbrannt hast, wird mein Verrat – beinahe jedenfalls – nur noch eine Frage von Mutmaßungen sein.
    An meinem Kartentisch hatte Yeşar inzwischen mit seinem YOK angefangen. YOK, wenn er keine Karte mehr wollte. YOK, wenn er nicht bieten wollte. YOK, wenn man ihm etwas zu essen oder zu trinken anbot. YOK ist eine türkische Negation, Malcolm – es bedeutet NEIN oder GIBT ES NICHT oder, so wie Yeşar es anscheinend verwendete, auch ICH WILL NICHT. Für YOK warf der Junge seinen Kopf zurück, bellte dieses Wort heraus und starrte uns alle aus seinem Football-Helm heraus mit wildem, verächtlichem Ausdruck an. Scott hatte ihm das Pokern beigebracht – im Augenblick spielten wir Stud mit sieben Karten –, und jetzt war er dabei, so oft zu yokken und zu gewinnen, daß ich langsam glaubte, er habe seinen Helm aufgesetzt, um sich vor den wütenden Verlierern an unserem Tisch zu schützen. Aber eigentlich war ich der einzige wütende Verlierer – Scott genoß es, Yeşar gewinnen zu sehen, und Sereno war viel zu sehr mit seinem Heimweh beschäftigt, um auf irgend jemanden wütend zu sein.
    ICH BIN DIE EINZIGE MENSCHENSEELE AUF DIESER PARTY, DIE ZEITSOLDAT IST, sagte er gelegentlich. ICH SOLLTE

Weitere Kostenlose Bücher