Krabat (German Edition)
die Geschichte meiner Generation, und es ist die Geschichte aller jungen Leute, die mit der Macht und ihren Verlockungen in Berührung kommen und sich darin verstricken. Da gibt es nur einen Ausweg, den einzigen, den ich kenne: den festen Willen, sich davon frei zu machen, die Hilfe von treuen Freunden – und jene Hilfe, die einem aus der Kraft der Liebe zuwächst, der Liebe, die stärker ist als die Macht des Bösen und alle Verlockungen dieser Welt.
Selbstverständlich ist es mir nicht möglich, alle Fragen zu beantworten, die sich dem Leser bei der Auseinandersetzung mit Krabats Geschichte stellen. Kein Schriftsteller ist allwissend, das habe ich gerade bei der Arbeit an diesem Buch immer wieder erfahren müssen. Auf manche der Fragen, die meine Erzählung aufwirft, weiß auch ich keine schlüssige Antwort. Vieles von dem, was ich sehe und erlebe, wovon ich erzähle, bleibt mir im Grunde genommen selbst ein Rätsel. Ein Rätsel, das ich mit dem Verstand nicht lösen kann. Und ich denke, dass es besser ist, wenn man das offen zugibt, als wenn man versuchen würde, sich dran vorbeizumogeln.
Otfried Preußler, 1992
Magie – nicht Zaubertricks
Erschienen »NZZ Online« am 30.10.2008«
Marco Kreuzpaintners »Krabat« vertieft Otfried Preußlers Geschichte sogar noch
Thomas Binotto
»Krabat« wird seit 37 Jahren gelesen und ist damit millionenfach in den Köpfen seiner Leserinnen und Leser »verfilmt« worden. »Krabat« ist zudem ein Klassiker der Schulbildung und damit beinahe zu Tode interpretiert. Und nun sollen wir uns im Kino auf die Interpretation eines jungen Regisseurs einlassen? Auf einen einzigen Film und seine Bilder?
Der Vorspann läuft, das Signet eines amerikanischen Major-Studios erscheint – die Skepsis wird nicht kleiner. Musik und Inszenierung des Vorspanns erinnern an »Harry Potter« – schon befürchtet man, aus »Krabat« sei Fantasy-Bombast geworden. Aber dann nimmt der Film seinen eigenen Weg, und bereitwillig folgt man der verführerischen Stimme Otto Sanders ins Jahr 1646, wo sich der Waisenknabe Krabat (David Kross) in einer bitterkalten Winternacht von seinen beiden frierenden Sternsingerkameraden davonstiehlt. Es wütet der bald dreißigjährige Krieg, die Pest, der Hunger. Auch in der Lausitz, einem Landstrich im Dreieck zwischen Deutschland, Polen und Tschechien. Hier folgt Krabat dem Ruf eines Traums. Dem Ruf in die Schwarze Mühle. Und so tritt er in die Dienste des Meisters (Christian Redl): »Was soll ich dich lehren«, fragt ihn dieser, »das Müllern oder auch alles andere?« Und Krabat folgt der inneren Stimme, die so fremd klingt. Er schlägt ein. Die Mühle beginnt wieder zu mahlen.
Bilder statt Worte
Nun wird der schmächtige Knabe von elf Müllersburschen in ihr hartes Handwerk eingeführt. Die Sitten sind rau, die Arbeit ist schier nicht zu bewältigen, aber wenigstens hat er ein Dach über dem Kopf und muss keinen Hunger leiden. Freundschaften scheint es hier zwar nicht zu geben, langweilig wird es dennoch nie mit dem tumben Juro (Hanno Koffler), dem verschlagenen Lyschko (Robert Stadlober) und all den anderen. Immerhin, der Altgeselle Tonda (Daniel Brühl), freundlich und schwermütig zugleich, hält seine Hand schützend über den Knaben.
Und dann wird Krabat in »alles andere« eingeführt. In die schwarze Magie des Müllers. Lernt zaubern, wird zum zwölften Raben und schleppt wie die anderen in Neumondnächten mit Gebeinen gefüllte Säcke zum siebten Mahlgang. Die furchteinflößende Gestalt auf dem Kutschbock, die über diesen geheimnisvollen Mahlgang gebietet, scheint in der Mühle von Koselbruch der einzige Kunde zu sein. Die Burschen und der Müller bleiben unter sich. Bis der Meister am Ostersamstag seinen Gesellen aufträgt, die Nacht an einem Ort zu verbringen, an dem ein Mensch gewaltsam zu Tode gekommen ist. Also sitzen Krabat und Tonda oberhalb von Schwarzkollm und blicken hinunter auf die Osternachtfeier im Dorf. In dieser Nacht lernt Krabat das Geheimnis Tondas kennen, und in dieser Nacht verliert er sein Herz an Kantorka (Paula Kalenberg). Tonda ist da bereits in großer Gefahr. Und Krabat bald auch. Denn die schwarze Magie duldet keine Liebe.
Bis dahin hat sich die Skepsis gegenüber Marco Kreuzpaintners »Krabat« längst aufgelöst. Zusammen mit seinem Koautor Michael Gutmann und den Produzenten ist dem 1977 geborenen Regisseur eine bemerkenswert eigenständige und überzeugende Adaption gelungen.
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