Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Krieg und Frieden

Krieg und Frieden

Titel: Krieg und Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
Vom Netzwerk:
Diener brachte einen Damenfuchspelz.
    »Dummkopf! Ich habe dir ja gesagt, den Zobelpelz! Heda, Matrena, den Zobelpelz!« rief er so laut, daß seine Stimme weit durch die Zimmer ertönte.
    Eine hübsche, schlanke, bleiche Zigeunerin mit glänzenden schwarzen Augen und schwarzen lockigen Haaren, in einem roten Schal, lief mit einem Zobelpelz in der Hand herbei.
    »Nun, es tut mir nicht leid darum, nimm ihn!« sagte sie etwas schüchtern, indem sie ihrem Herrn den Pelz wehmütig überreichte.
    Ohne ihr zu antworten, nahm Dolochow den Pelz, warf ihn um Matrena und hüllte sie ein.
    »Siehst du, so!« sagte Dolochow, »und dann«, sagte er und schlug ihr den Kragen auf, so daß von dem Gesicht nur eine kleine Öffnung blieb, »dann siehst du, so!« Und er schob Anatols Kopf zu der Öffnung, die im Kragen frei geblieben war, aus welcher die glänzenden Augen Matrenas hervorsahen.
    »Nun, lebe wohl! Lebe wohl, Matrena! Wünsche mir Glück!«
    »Nun, Gott gebe Ihnen großes Glück, Fürst!« sagte Matrena mit ihrer Zigeuneraussprache. Vor dem Hause standen zwei Dreigespanne, welche zwei junge Kutscher hielten. Balaga setzte sich auf das erste, hob die Ellenbogen in die Höhe und ergriff langsam die Zügel. Anatol und Dolochow stiegen ein, Makarin, Chwostikow und der Diener setzten sich in die zweite Troika.
    »Ist alles fertig?« fragte Balaga. »Los!« schrie er und wickelte die Zügel um die Hände. Die Troika fuhr den Nikizkiboulevard hinab. Am Arbatskoiplatz fuhr sie einen Wagen an, etwas krachte, man hörte Geschrei und dann fuhr die Troika über den Platz hinüber. Bei der alten Stallschreiberstraße hielt Balaga die Pferde an. Anatol und Dolochow stiegen aus. Als sie an die Pforte des Hauses von Maria Dmitrijewna kamen, pfiff Dolochow, der Pfiff wurde beantwortet und darauf kam eine Zofe herausgelaufen.
    »Gehen Sie in den Hof, sonst werden Sie gesehen! Sie wird gleich kommen«, sagte das Mädchen.
    Dolochow blieb an der Pforte stehen. Anatol folgte der Zofe in den Hof und eilte auf die Vortreppe zu.
    Gawrila, der große, plumpe Kutscher Maria Dmitrijewnas, kam ihm entgegen. »Belieben Sie, zur gnädigen Frau zu kommen«, sagte er mit seiner Baßstimme, indem er den Rückweg zur Tür vertrat.
    »Zu welcher gnädigen Frau! Wer bist du?« fragte Anatol flüsternd.
    »Belieben Sie einzutreten, ich habe Befehl, Sie hineinzuführen!«
    »Kuragin! Zurück!« schrie Dolochow. »Verrat! Zurück!« Dolochow war bei dem Pförtchen, bei dem er zurückgeblieben war, im Handgemenge mit dem Dwornik, der sich bemühte, hinter Anatol das Pförtchen zu schließen. Mit einer letzten Anstrengung stieß Dolochow den Pförtner zurück, ergriff mit der Hand den herauseilenden Anatol, zog ihn durch das Pförtchen hinaus und lief mit ihm zurück zur Troika.

128
    Maria Dmitrijewna hatte Sonja weinend im Korridor getroffen und sie genötigt, ihr alles einzugestehen. Sie ergriff den Brief, las ihn und trat mit dem Brief in der Hand in Natalies Zimmer.
    »Nichtswürdige! Schamlose!« rief sie. »Ich will nichts hören!« Sie stieß Natalie zurück, welche sie verwundert, aber mit trockenen Augen anblickte, schloß sie im Zimmer ein und befahl dem Dwornik, die Leute, welche heute abend kommen werden, einzulassen, aber niemand hinauszulassen, und dem Kutscher Gawrila befahl sie, jene Leute zu ihr zu führen. Dann setzte sie sich in Erwartung der Entführer in den Salon. Als Gawrila ihr meldete, die Leute seien entflohen, stand sie ärgerlich auf, legte die Hände auf den Rücken und, im Zimmer auf und ab gehend, überlegte sie lange, was sie tun sollte. Um zwölf Uhr nachts ging sie an das Zimmer Natalies. Sonja saß weinend im Korridor.
    »Maria Dmitrijewna, lassen Sie mich zu ihr, um Gottes willen!« sagte sie, aber ohne ihr zu antworten schloß die Dame die Tür auf und trat ein.
    »Abscheulich! ... Nichtswürdig! ... In meinem Hause! Eine so niedrige Person! Es tut mir nur um ihren Vater leid!« dachte Maria Dmitrijewna und bemühte sich, ihre Wut zu beherrschen. »So schwer es auch sein wird, werde ich doch allen befehlen, zu schweigen, und es dem Grafen verheimlichen.« Mit entschiedenen Schritten trat sie ins Zimmer. Natalie lag ruhig auf dem Diwan. Sie hatte das Gesicht mit den Händen bedeckt und lag noch in derselben Lage, in der sie Maria Dmitrijewna verlassen hatte.
    »Schön, sehr schön!« sagte die Dame. »In meinem Hause hält man Zusammenkünfte mit dem Liebhaber! Da ist nichts mehr zu verstellen! Höre, wenn ich mit dir

Weitere Kostenlose Bücher