Kryson 06 - Tag und Nacht
näherte.
»Was fällt Euch ein!«, schrie der Klan. »Seid Ihr wahnsinnig oder lebensmüde? Warum hüpft Ihr vor der Fördermaschine herum und behindert meine Arbeit. Geht woanders betteln! Ich hätte Euch übersehen und töten können.«
»Verzeiht mir meine Neugier«, antwortete Sapius, »ich habe nicht vor, Euch um ein Almosen zu bitten. Ich bin kein Bettler. Aber was macht Ihr hier?«
»Seht Ihr das nicht?«, starrte der Klan den Magier an. »Wir fördern Stein, Erze und Brennmaterial für die Öfen und Baustellen auf Ell. Die ganze Gegend vom Fluss bis zum Riesengebirge ist Sperr- und Fördergebiet. Schon seit längerer Zeit. Das Betreten ist für Leute wie Euch streng verboten. Wie seid Ihr überhaupt hierhergekommen? Habt Ihr die Zäune überwunden und die Warnschilder übersehen? Ich benachrichtige den Aufseher. Ihr habt mir durch die Unterbrechung meinen Tagessold verdorben. Jetzt werde ich nicht genug Erze liefern können. Das wird Euch teuer zu stehen kommen.«
Sapius verstand nicht, wovon der Klan sprach. Nichts von dem, was der Klan erzählte, kam ihm bekannt vor. Der Norden Ells war eine freie Ebene. Sperrgebiet, Zäune. Das war einfach lächerlich. Wer sollte ein solch großes Gebiet einzäunen? Vielleicht war es eine gute Idee, auf den Aufseher zu warten. Er würde Sapius gewiss Aufschluss geben, was hier vor sich ging.
Der Klan ging zurück zu seinem Gefährt, öffnete eine Klappe, hinter der sich ein Gegenstand an einer Schnur und eine Kurbel befanden. Den Gegenstand hielt er an sein Ohr, während er an der Kurbel drehte. Sapius beobachtete den Klan genau und war abermals überrascht, als er hörte, wie der Mann mit dem Gegenstand sprach.
»Was macht er da? Ist er irre?«
, fragte sich Sapius.
Wenig später stieß aus dem Himmel einer der stählernen Flugdrachen mit Getöse zu ihnen herab und landete direkt neben der Fördermaschine. Eine Luke öffnete sich, hinter der sich ein wichtig aussehender Klan zeigte. Der Mann zwängte sich aus der Luke, wechselte lautstark und gestikulierend einige Worte mit dem anderen Klan und kam dann zu Sapius herüber.
»Ihr seht aus wie einer dieser Saboteure, die sich Widerstand nennen und unsere Arbeit behindern. Rettet Ell. Rettet die Natur. Ich kann eure Sprüche nicht mehr hören. Jeden Tag dasselbe Spiel. Ich könnte laufend kotzen. Wird euch das nicht langweilig? Elendes Gesindel und Lumpenpack«, schimpfte der Aufseher, »glaubt ihr wirklich, ihr könntet uns mit euren Vorstößen aufhalten?«
»Wem dient Ihr?«, wollte Sapius wissen.
»O ja, das ist typisch für Euresgleichen«, meinte der Aufseher kopfschüttelnd, »ihr zeigt euch unwissend und unschuldig. Dabei habt ihr es faustdick hinter den Ohren. Ich kenne euch und eure hinterlistigen Absichten. Die ganze Gegend von Tut-El-Baya über den Faraghad-Wald bis zu den Grenzlanden und Eisbergen gehört Jafdabh. Das solltet ihr wissen, schließlich haltet ihr euch auf seinem Grund und Boden auf, obwohl ihr kein Recht dazu habt.«
»Das ist doch verrückt«, meinte Sapius, »was ist mit den Dörfern und Städten. Den Fürstentümern der Nno-bei-Klan? Dem Haus der heiligen Mutter und des hohen Vaters? Ist der Krieg gegen die Rachuren zu Ende?«
»Aus welchem Loch seid Ihr hervorgekrochen? In welcher Welt lebt Ihr?«, fragte der Mann offensichtlich verblüfft. »Wollt Ihr mich mit Mythen und Legenden verwirren? Hier gibt es nichts außer Fördermaschinen. Tausende davon. Wir beliefern die Fabriken von Norden bis Süden und natürlich auch die Rachuren in Krawahta. Unsere Freunde bezahlen gute Preise für Erze. Raymour und Zanmour haben sich wunderbare Paläste bauen lassen.«
»Freunde?« Sapius verstand nun überhaupt nichts mehr. »Was ist mit Nalkaar?«
»Oh, Ihr kennt und schätzt den großen Künstler, den Meister?« Der Klan zog überrascht die Augenbrauen nach oben. »Das hätte ich nicht von Euch gedacht.
Ihr
hört seine Musik? Jafdabh hat ihn unter Vertrag genommen und fördert ihn und seine Kunst. Für gewöhnlich lehnt Euresgleichen die Musik des Konzertmeisters ab und sabotiert die Konzerte. Leider. Das ist ein großes Ärgernis. Nalkaar reist durch die Klanlande und gibt fantastische Konzerte. Er füllt die Säle wie kein anderer. Er wird allerorts gefeiert. Seine Musik ist unerreicht, allenfalls noch vergleichbar mit den magischen Klängen des Gauklers Madsick. Der Flötenspieler, Ihr wisst doch sicher, von wem ich spreche? Aber wenn Ihr mich fragt, ist Nalkaar besser. Seine
Weitere Kostenlose Bücher