Lackschaden
im Wohnzimmer.
»Zwei Leute haben angerufen. Das eine war glaube isch Ihr Mann und des andere irgendwer vom Flughafen, der Ihnen einen Koffer bringen will. Isch hab gesacht, her demit. Hoffe, des war rischtisch.«
Ich nicke.
»Aber Ihr Opa ist nicht uffgetaucht. Kein Opa weit un breit. Soll isch jetzt gehen?«, fragt er noch höflich. »Die Creme ist auch eingezogen!«, fügt er noch hinzu.
»Wir müssen gleich wieder los, also ich auf jeden Fall, ich muss nur was zusammenpacken und dann fahre ich wieder ins Krankenhaus. Über Nacht.«
»Wie geht’s denn dem Kleinen?«, will Fred noch wissen.
»Er hat eine Blinddarmentzündung, aber ich muss mich jetzt beeilen. Danke, Bastian, für alles. Ich will dir nicht den ganzen Abend kaputt machen«, entlasse ich Bastian in den Feierabend.
»Und wie soll Claudia dann aus dem Krankenhaus nach Hause kommen?«, fragt er nur und lächelt verschmitzt. »Per Anhalter?«
Stimmt, das habe ich in all der Aufregung vergessen zu planen.
»Zur Not mit dem Taxi!«, sage ich. »Fühle dich nicht verpflichtet. Das schaffen wir schon.«
»Dass eine Frau wie du, das schafft, ist mir klar. Ich fahre aber trotzdem«, entscheidet er.
Während ich so schnell wie möglich alles zusammenpacke, klingelt es. Mein Koffer ist wieder da. Ein kleines Männchen steht vor der Tür und fragt nach Frau Schnidt.
»Hier bin ich!«, antworte ich. »Haben Sie Ihren Koffer gar nicht vermisst? Wir haben uns gewundert. Er war auf dem Band übrig, aber Sie haben sein Fehlen gar nicht gemeldet. So was kennen wir überhaupt nicht«, redet er auf mich ein.
Tja, jetzt kennen Sie es, will ich sagen, lasse es aber.
»Herzlichen Dank, es ging um einen Notfall. Also danke.«
Ich krame in meinem Portemonnaie und drücke ihm zwanzig Euro in die Hand.
»Oh, dann ist ja auch der Bikini wieder da!«, freut sich Bastian. Mein kleiner orangefarbener Bikini. Wer weiß, ob ich je den Mut haben werde, ihn zu tragen.
Ich verbringe die Nacht bei Mark im Bett. Der Stuhl war einfach zu unbequem. Beistellbetten gibt es hier nur für Mütter von kleinen Kindern.
»Später will ich eine Frau wie dich!«, nuschelt mein Sohn noch vor dem Einschlafen.
Sind das Auswirkungen der Medikamente, die er bekommen hat? Vielleicht braucht Christoph auch mal eine Blinddarmentzündung um zu solchen Einsichten zu gelangen. Mark hat so etwas auch zuletzt mit etwa vier Jahren gesagt. Damals allerdings ohne vorherige Medikamenteneinnahme.
14
Am nächsten Morgen läuft die gesamte Krankenhausmaschinerie ab sechs Uhr früh. Einlauf, Beruhigungsspritze und Anästhesievorgespräch. Auch der ausführende Operateur gibt sich die Ehre. Immerhin ist es nicht das Kind von gestern Abend, sondern ein etwas älterer Chirurg, etwa Mitte fünfzig. Es kann also nicht sein erster Eingriff dieser Art sein. Er scheint mir meine Unruhe ansehen zu können.
»Alles Routine, Frau Schnidt, wir vermuten eine Entzündung, aber noch nichts Lebensbedrohliches. Wenn er raus ist, wird sich der junge Mann schnell erholen. Man kann sehr gut ohne Blinddarm leben, ich habe auch keinen mehr!«
Das beruhigt mich natürlich ungemein.
Um zehn Uhr wird mein Sohn abgeholt. Ein mulmiges Gefühl, jede Verantwortung aus der Hand zu geben. Mark winkt noch, dann verschwindet er hinter der Automatiktür. Ab jetzt kann ich definitiv nicht mehr eingreifen. Es wäre schön, wenn jetzt jemand an meiner Seite wäre, aber Claudia ist im Baumarkt und Christoph wahrscheinlich auf dem Golfplatz. Meine Eltern sind für ein paar Tage an die Ostsee und meine Schwester ist mit ihrer Familie in Südfrankreich. Obwohl ich weiß, dass eine Blinddarm-Operation kein Hexenwerk ist, bin ich nervös. Ich drehe meine Runden vor der Tür mit der Aufschrift: OP – Zutritt nur für Befugte.
»Kaffee gefällig?«, fragt da auf einmal eine Stimme.
Rudi! Wie immer in letzter Zeit stürze ich mich in seine Arme. Dieser Mann weiß, wann er gebraucht wird.
»Wo um alles in der Welt ist eigentlisch mein Herr Sohn? Sollte der net hier an deiner Seite stehn?«, fragt mich Rudi, nachdem wir uns eine Weile wieder mal nur still umarmt haben.
Ich trinke einen Schluck Kaffee und nicke nur. »Eigentlich, Rudi, eigentlich finde ich auch, dass er hier stehen sollte.«
Nachts um elf steht Christoph dann tatsächlich im Zimmer. Mark schläft.
»Wie geht es ihm?«, fragt er.
»Es geht! Er hat sich stundenlang übergeben, aber jetzt geht es. Die Operation ist gut verlaufen. Er schläft, wie du
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